„Optimism is the only solution“

Ismail Yasin hatte den Großteil seiner wissenschaftlichen Karriere schon hinter sich, als er durch den Krieg in Syrien gezwungen wurde, seine Heimat zu verlassen. Sein Optimismus öffnete ihm aber in Österreich viele Türen - auch jene der Akademie der Wissenschaften.

Englische Literatur, Pädagogik, Recht, Theologie - die Liste der Studienfächer, die Ismail Yasin in seiner Heimat Syrien absolviert hat, ist lang. Und er hat nicht nur gelernt, sondern auch gelehrt: „Ich habe 14 Jahre lang an der Universität Damaskus Sprachen unterrichtet und an einem privaten Institut Erfahrungen mit interreligiösem und interkulturellem Dialog gesammelt“, erzählt der 54-jährige Syrer.

Ö1 Sendungshinweis

Über Ismail Yasin berichtet auch „Wissen Aktuell“ am 2.5.16 um 13.55 Uhr.

Und genau diese Erfahrungen haben Ismail Yasin viele Türen geöffnet, als er im Februar 2015 in Österreich angekommen ist. In seiner neuen Heimatgemeinde Baden hat er bereits mehrfach über Syrien, „unsere Kultur und Zivilisation“, vorgetragen - einmal sogar in der Kirche. Zum Vortrag, der unter dem Titel „Brücken bauen zwischen zwei Kulturen“ angekündigt wurde, kamen rund 150 Menschen.

Nachbarin „fand“ die Akademie

Offene Türen fanden Ismail Yasin und seine Familie auch bei den neuen Nachbarn vor: „Claudia Hauser und ihr Mann Christian waren uns eine unglaubliche Hilfe in der Anfangszeit.“ Mittlerweile sei man auf gewisse Weise zu einer großen Familie zusammengewachsen, erzählt der syrische Sprachenexperte.

Claudia Hauser war es auch, die ihn auf die Österreichische Akademie der Wissenschaften hingewiesen hat. „Ich habe ihr gesagt, dass ich gerne arbeiten möchte, ich möchte nicht herumsitzen.“ Daraufhin habe sie viele Briefe geschrieben und ihm irgendwann von der Akademie und dem Austrian Center for Digital Humanities (ACDH) erzählt, so Ismail Yasin.

„I was lucky“

Er habe Kontakt aufgenommen und wurde zu einem ersten Gespräch eingeladen, dessen Ergebnis er mit den Worten „I was lucky“ zusammenfasst. Kurz darauf hat der Sprachenexperte mit einem dreimonatigen Praktikum begonnen, in dessen Rahmen er an der Erstellung eines digitalen Wörterbuchs zum arabischen Dialekt in Damaskus mitarbeitet.

Eine Hand winkt aus einem Zugfenster

APA/dpa/Sven Hoppe

Serie „Scientists Welcome?“

In der Serie „Scientists Welcome?“ stellt science.ORF.at hochqualifizierte Menschen vor, die im Rahmen der aktuellen Fluchtbewegungen ihre Heimat verlassen haben und nun in Österreich - auch wissenschaftlich - Fuß fassen wollen. Bisher ist erschienen:

Praktika an der ÖAW

Aktuell machen 19 Flüchtlinge an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein dreimonatiges Praktikum. Voraussetzung dafür, ein solches Praktikum antreten zu dürfen, ist ein positiver Asylbescheid. Garantie auf eine Weiterbeschäftigung gibt es keine.

Am ACDH zieht Zentrumsdirektor Karlheinz Mörth eine positive Zwischenbilanz: „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit Herrn Yasin gemacht und überlegen, die Kooperation zu verlängern.“ Ein Praktikum solle die Möglichkeit bieten, Netzwerke zu bilden, neue Leute kennenzulernen, Zugang zur Scientific Community zu finden. Hinter der längerfristigen Perspektive steht aber noch ein Fragezeichen, räumt Karlheinz Mörth ein: „Wir können keine fixe Stelle anbieten.“

Unerschütterlicher Optimismus

In der Wissenschaft wisse man eben nie, wo man letztlich landet - das gelte für junge heimische Forscherinnen und Forscher genauso wie für zugezogene. Der Wunsch wäre aber jedenfalls, Ismail Yasin über eine Projektfinanzierung die Möglichkeit zu einer weiteren Mitarbeit zu geben, so Mörth.

Das Fragezeichen tut der Zuversicht von Ismail Yasin jedenfalls keinen Abbruch: „I am very optimistic.“ Er könne fachlich viel einbringen, und er helfe auch privat bei der Integration von Flüchtlingsfamilien - über einen dieser Wege wird sich für ihn eine berufliche Zukunft ergeben, sagt der Syrer mit einem Lächeln und betont bei der Verabschiedung noch einmal: „Optimism is the only solution.“

Elke Ziegler, science.ORF.at

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