Austrofaschisten: „Rückkehr erwünscht“

Über 300 Lehrende wurden zwischen 1938 und 1945 von den Nationalsozialisten von der Universität Wien vertrieben, über ein Viertel davon aus politischen Gründen. Anders als bei den aus „rassischen“ Gründen Vertriebenen war bei dieser Gruppe aber nach Kriegsende die „Rückkehr erwünscht“, wie ein Buch zeigt.

Andreas Huber zeichnet in seiner Monografie die Geschichte jener 86 Wissenschaftler nach, die die Uni Wien wegen ihrer politischen Einstellung verlassen mussten. Meist waren es Funktionäre des austrofaschistischen Ständestaats. Linke, Liberale und Pazifisten finden sich nur wenige auf der Liste, diese gab es wegen des antidemokratischen und konservativen Klimas unter Dollfuß und Schuschnigg schon vor dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich kaum noch.

Bücher

„Rückkehr erwünscht. Im Nationalsozialismus aus ‚politischen‘ Gründen vertriebene Lehrende an der Universität Wien“ von Andreas Huber, LIT Verlag, Wien 2016; „Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren“ von Roman Pfefferle und Hans Pfefferle, V & R unipress, Göttingen 2014. Präsentation der beiden Bände am Montag, 23. Mai, um 18.30 Uhr im Hörsaalzentrum des Uni-Campus der Universität Wien, 9., Spitalgasse 2-4, Hof 2

Während den als Juden verfolgten Wissenschaftlern Maßnahmen bis hin zu Deportation und Ermordung in NS-Konzentrationslagern drohten, fielen für politisch Verfolgte die Folgen meist glimpflicher aus: Großteils konnten sie in Österreich bleiben, 1940 befand sich auch keiner der Wissenschaftler in Haft.

Die Betroffenen wurden zwar vom Wissenschaftsbetrieb ausgeschlossen, hatten aber in der Regel weiter eine Existenzgrundlage: Entlassungen wurden bald in Pensionierungen umgewandelt, ein Drittel konnte einer anderen, mehr oder weniger seiner Ausbildung entsprechenden Arbeit nachgehen (etwa als Arzt oder Bibliothekar).

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden wegen der Entnazifizierung an der Uni Wien viele Stellen frei. Da in Österreich keine Aufarbeitung des Dollfuß/Schuschnigg-Regimes stattfand, war diese Gruppe laut Huber „prädestiniert für eine rasche Re-Integration in den Wissenschaftsbereich und die Übernahme einflussreicher Funktionen an der Universität“. Anders als bei den „rassisch“ Verfolgten waren die akademischen Behörden und das Unterrichtsministerium auch bemüht, die politisch Verfolgten zurückzuholen und (auch finanziell) zu fördern - „besonders wenn es um Katholisch-Konservative ging“, wie Huber hervorhebt.

Erfolgreiche Karrieren

Nachkriegskarrieren der „politisch“ Verfolgten verliefen dementsprechend fast durchwegs erfolgreich. Sie konnten entweder in ihre Funktion zurückkehren (56 Personen) oder landeten auf lukrativen Posten im öffentlichen Dienst. Außerdem erlangten viele „politisch“ Enthobene akademische Führungspositionen (Rektor, Dekan) und hatten dementsprechend großen Einfluss auf den Wissenschaftsbetrieb der Zweiten Republik - nicht nur bei Berufungen, sondern auch in Fragen der Entnazifizierung und Remigration. Beispiel für eine solche Karriere ist der letzte Justizminister des Ständestaats, Ludwig Adamovich, der 1938 entlassen wurde und 1945 sogleich zum ersten Nachkriegsrektor der Uni Wien avancierte.

Gemeinsam mit Hubers Monografie wird am Montag an der Uni Wien auch der Band „Glimpflich entnazifiziert“ vom Politologen Roman Pfefferle und dem Historiker Hans Pfefferle vorgestellt, in dem anhand der Karrieren von 124 Personen aufgezeigt wird, wie viele NS-belastete Professoren weiter an der Uni bleiben und diese lange mitprägen konnten.

science.ORF.at/APA

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