Kometeneis aus dem Labor

Forscher haben die Annäherung eines Kometen an die Sonne im Labor simuliert. Dabei stellten sie fest, wie sich die Mikrostruktur, die Wassereis bei sehr tiefen Temperaturen einnimmt, bei Erwärmung verändert. In den winzigen Poren könnten sich die ersten Moleküle des Lebens gebildet haben.

In den Tiefen des Weltalls bei Temperaturen von minus 270 bis minus 260 Grad Celsius liegt Wasser zum größten Teil als sogenanntes amorphes Eis vor. Dieses ist eher wie flüssiges Wasser, also ohne kristalline Grundstruktur aufgebaut.

Auch das Wassereis auf „67P/Tschurjumow-Gerassimenko“ war in diesem Zustand, ehe sich der Komet der Sonne näherte, erklärt Thomas Lörting vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Innsbruck. Daten der Raumsonde Rosetta, die seit Herbst 2014 „Tschuri“ genannten untersucht, zeigen, dass das Eis mittlerweile in kristalliner Form vorliegt, also mit einer Struktur aus streng regelmäßig angeordneten Atomen. Wie der Übergang vom amorphen in den kristallinen Zustand vor sich geht, hat Lörting mit Kollegen mit einer neuen Methode näher untersucht.

Ursprung des Lebens?

Bei Temperaturen von rund minus 270 Grad Celsius lagern sich Wassermoleküle an der Oberfläche des interstellaren Staubs ab und es bildet sich amorphes Eis. Dieses hat eine mikroporöse Struktur mit einem Netzwerk von Poren, deren Innenseite eine riesige Oberfläche bildet, ähnlich wie Aktivkohle.

„Ein Gramm dieses Materials hat eine Oberfläche von 500 Quadratmetern“, sagte Lörting. In die winzigen Eisporen werden Moleküle aus der Umgebung eingelagert. Dort sind sie vor der harten Strahlung im All geschützt, weshalb vermutet wird, dass erste Bausteine des Lebens wie Peptide und Proteine in diesen Poren entstanden sein könnten.

Lörtings Team hat nun in Innsbruck hergestellte Proben von amorphem Eis im Rutherford Appleton Laboratory in der Nähe von Oxford mit Hilfe von Neutronenstrahlen analysiert. Anhand dessen, wie die Neutronen abgelenkt werden - der Fachbegriff dafür ist „Kleinwinkelstreuung“ - können die Wissenschaftler die Struktur des Eises nachvollziehen - und das bei unterschiedlichen Temperaturen. So zeigten die Innsbrucker Chemiker, dass die Poren des amorphen Eises zylinderförmig sind.

Moleküle entweichen in Schweif

„Die anfangs rauen Poren werden bei zunehmender Erwärmung ab minus 170 Grad Celsius zunächst glatt und sacken dann bei etwa minus 150 Grad Celsius in sich zusammen“, so Lörting, der diesen Vorgang mit einem Joghurtbecher vergleicht, der im Backrohr langsam zusammensackt. Das Eis bildet dann lamellenförmige, zweidimensionale Strukturen, die Oberfläche reduziert sich dabei auf weniger als ein Quadratmeter pro Gramm Eis.

Dieser Kollaps der porösen Struktur wird erst dadurch möglich, dass die Wassermoleküle bei so tiefen Temperaturen beweglich werden. Dass Wasser auch bei so extrem tiefen Temperaturen noch flüssig sein kann, hat Lörting vor drei Jahren nachgewiesen. Erst bei minus 120 Grad Celsius kristallisiert die Flüssigkeit wieder, „das ist der Zustand, in dem ‚Tschuri‘ sich derzeit befindet“, so Lörting. Bei dieser Kristallisation werden die in den Poren gesammelten Moleküle freigegeben. Sie bilden bei der Annäherung des Kometen an die Sonne den charakteristischen Schweif.

Weil die zweidimensionalen Strukturen und das flüssige Wasser bei so extrem tiefen Temperaturen eine sehr spezielle Umgebung für chemische Prozesse ist, wollen die Forscher in einem nächsten Schritt diese Prozesse mit im Eis eingelagerten Molekülen näher untersuchen.

science.ORF.at/APA

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