Wählerisch in den Tod

Für männliche Spinnen ist der Paarungsakt meist auch der Schlussakt ihres Lebens. Dafür suchen bei den meisten Arten aber auch die Männchen ihre Partnerin aus und sind dabei recht wählerisch. Das hat wenig mit der Angst vor dem Tod zu tun, sondern folgt der Logik der Evolution.

Gemeinhin herrscht in der Natur Damenwahl. Da Weibchen durch die Zahl ihrer Eizellen in der Vermehrung limitiert sind, wählen sie unter rivalisierenden Männchen das qualitativ vielversprechendste aus. Männchen hingegen haben den höchsten Erfolg bei der Verbreitung ihrer Gene durch promiskuitive Streuung - ohne viel wählerisch sein zu müssen.

Bei manchen Arten ist es aber doch genau umgekehrt - etwa bei vielen Spinnenarten, deren Liebesspiel bekanntlich für die meisten Männchen letal endet. Denn sie werden - im wörtlichen Sinn - vernascht.

Wer die Qual hat, hat die Wahl

Am Beispiel der Opuntienspinnen, engen Verwandten der Kreuzspinne, haben Wissenschaftler der Ben-Gurion Universität die Partnerwahl der Achtbeiner genau untersucht. Opuntienspinnen sind im Mittelmeerraum sehr stark verbreitet und legen ihre Netze - wie ihr Name besagt - gerne in Kakteen-Hecken aus.

Abgesehen von ihrer Häufigkeit sind die Opuntienspinnen für den israelischen Biologen Eric Yip und sein Team aus zwei Gründen ideal für die Studien: Der Größenunterschied zwischen den Geschlechtern ist besonders stark ausgeprägt, die Männchen werden mit zwei bis vier Millimeter kaum größer als Zecken, die Weibchen hingegen erreichen 15 Millimeter und ein Zigfaches an Körpermasse. Die Rate der verspeisten Leibhaber ist bei dieser Spinnenart daher besonders hoch, denn je kleiner das Männchen, desto häufiger wird es zum Beutetier. Zweitens leben Opuntienspinnen in losen Gruppen, ein wohl günstiger Umstand für die Beobachtung von Prinzipien der Partnerwahl.

Zögerlich und wählerisch

Was die Biologen vor allem beobachten konnten: Spinnenmännchen auf Freiersfüßen versuchen keineswegs, das nächstbeste paarungsbereite Weibchen zu begatten. Sie sind im Gegenteil sehr zögerlich und wählerisch – und das nicht, weil sie die dralle Weiblichkeit fürchten: „In einer Gruppe begegnen Männchen vielen empfänglichen Weibchen, doch sie bevorzugen stets jüngere und möglichst fette, also potentiell fruchtbarere Weibchen“, berichtet Yip. Und er beschreibt in drastischen Worten den simplen Grund: „Über 80 Prozent der Opuntienspinnen-Männchen werden nach ihrer ersten Kopulation gefressen. Kaum eines hat eine zweite Chance, daher müssen sie sicherstellen, dass ihr ‚single shot‘ zur Vaterschaft füht, von möglichst vielen, gesunden Nachkommen.“

Drum prüfe, wer sich ewig bindet – das scheinen männliche Opuntienspinnen besonders zu beherzigen. Auch wenn ihre Bindung während der Paarung nur wenige Sekunden dauert - bis dass der Tod sie scheidet, unmittelbar danach folgt für das Männchen jedenfalls die Ewigkeit.

Thomas Azade/science.ORF.at

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