Tumoren wie Viren bekämpfen

Oft erkennt das Immunsystem die Krebszellen im Körper nicht. Mit einer Immuntherapie kann man ihm dabei jedoch auf die Sprünge helfen. Forscher haben nun eine Variante entwickelt, die mit Hilfe von Nanopartikel sogar verschiedene Krebsarten bekämpfen können soll.

Die leicht negativ geladene Nanopartikeln transportieren die therapeutischen Krebsimpfstoffe in Zellen des Immunsystems. Diese sogenannten dendritischen Zellen wiederum geben die Information weiter, dass ein Typ von Tumorzellen im Körper bekämpft werden soll. Das Verfahren ist schon an Mäusen und drei Menschen mit Schwarzem Hautkrebs getestet worden, so Krebsforscher Ugur Sahin von der Universität Mainz, der die Untersuchung betreute.

„Überraschenderweise bekamen wir bei sehr geringer Dosis sehr starke Immunantworten.“ Das Prinzip kann auch auf die Therapie anderer Krebsarten übertragen werden. Für Hans-Reimer Rodewald vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), der an der Studie nicht beteiligt war, sind die Ergebnisse „enorm interessant“.

Abwehr aktiviert

Die Immuntherapie gegen Tumore gilt als vielversprechender Ansatz der Krebsbehandlung. Dabei werden die Krebszellen nicht etwa in einer Chemotherapie mit Giften attackiert oder mit Röntgenstrahlen zerstört, sondern es wird die Abwehr im Körper selbst aktiviert. Diese Anregung erfolgt durch Antigene - deswegen sprechen die Forscher von einem Impfstoff. Dieses therapeutische Impfen wird nicht bei gesunden Menschen angewandt, sondern bei Kranken.

Bisher wurden in der Immuntherapie die Nanopartikel mit Adressaufklebern versehen, entweder mit Antikörpern oder Liganden, die sich speziell an die dendritischen Zellen anlagern. Das Forscherteam habe nun einen anderen Trick gefunden, sagte Rodewald. Durch die leicht negative Aufladung der Nanopartikel würden diese zu den dendritischen Zellen im Lymphsystem wie etwa die Milz geleitet. „Das ist sehr bemerkenswert“, sagte er.

Wie ein Fahndungsfoto

Bei der Methode wird die Bauanleitung (RNA) eines Tumor-Antigens in eine schützende Membranschicht gesteckt, die außen negativ geladen ist. Diese Nanopartikel werden in den Blutkreislauf gegeben und erreichen so das Lymphatische System. Dort nehmen die dendritischen Zellen die RNA auf, und nutzen sie zum Aufbau von Tumorantigenen.

„Diese Zellen sind quasi die Instrukteure des Immunsystems. Sie präsentieren die von uns eingebrachten Antigene wie ein Fahndungsfoto. Die anderen Immunzellen kommen vorbei und schauen sich das an“, sagt Sahin. Die Abwehrzellen können daraufhin die Tumorzellen bekämpfen.

Großes Potenzial

Jolanda de Vries und Carl Figdor vom Radboud University Medical Center in Nijmegen in den Niederlanden schreiben in einem Kommentar zu den Resultaten, die Immunantwort der T-Zellen der drei Patienten sei beeindruckend. Es müsse allerdings eine größere, randomisierte Studie durchgeführt werden - deren Ergebnis mit größtem Interesse verfolgt werde. Das Potenzial sei da, dass dieser Ansatz das therapeutische Impfen bei Krebserkrankungen stark voranbringt.

Sahin sagte, die Studie laufe weiter. Bis jetzt seien alle Patienten klinisch stabil, das heißt die Tumore wachsen nicht mehr weiter. „In einem Jahr werden wir wissen, wie wirksam die Behandlung ist“, sagte er. „Ich bin selber Arzt und davon motiviert, Patienten neue Behandlungsmöglichkeiten zu bieten.“

Erst kürzlich hatten britische Forscher von einer Immuntherapie gegen Krebs berichtet, bei der sie T-Zellen aus dem Blut entnehmen und im Labor gentechnisch so verändern, dass sie Blutkrebszellen erkennen und direkt angreifen. Auch dieser Ansatz steckt noch im Versuchsstadium.

science.ORF.at/APA/dpa

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