Wien: Stadt der wilden Tiere

Fuchs, Haselmaus, Eisvogel, Dachs – ein Jahr lang hat die Bevölkerung Wiens an einer „Volkszählung“ der Wildtiere mitgearbeitet. Ein Citizen-Science-Projekt mit großem Erfolg: Mehr als 4.000 Sichtungen und Begegnungen wurden online gemeldet.

„StadtWildTiere“ heißt das länderübergreifende Projekt und ist eine Kooperation von Schweizer und österreichischen Wildtierbiologen. In Zürich, Bern oder Winterthur gibt es die Initiative schon länger, Wien ist vor einem Jahr dazugekommen.

Ziesel

S. Marchart/Archiv stadtwildtiere.at

Ein Ziesel

Ziel ist, die Bevölkerung in die Erhebung der Artenvielfalt einzubinden, Bewusstsein zu schaffen für die „wilden Mitbewohner“, mit denen man sich den städtischen Lebensraum teilt und über diese zu informieren. Online kann jede Sichtung eines Wildtieres gemeldet werden.

„Volkszählung“ der Wildtiere

Mehr als 200.000-mal wurde die Seite im ersten Jahr aufgerufen, insgesamt 16.000 Nutzer beobachten und melden „im Dienste der Wissenschaft“. Grund zur Freude für Richard Zink, Wildtierbiologe und Koordinator des Projekts:

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen Aktuell am 16.6. um 13:55.

„Im ersten Jahr sind mehr als 4.000 Meldungen von Wildtieren gemacht worden. Das ist extrem erfreulich. Das sind wertvolle Daten, die wir da geliefert bekommen. Wir haben ja keinen Zugang zu Kleingärten oder Industriegebieten, das heißt, wir sind auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen.“ Die Meldungen werden statistisch erfasst und wissenschaftlich ausgearbeitet.

Ein Fuchs auf der Couch

Im ersten Jahr stand der Fuchs im Fokus, und es gab durchaus besondere Sichtungen. Meister Reineke nennt offenbar die ganze Stadt sein eigen: das Burgtheater besucht er bevorzugt nach den Vorstellungen, ein Mittagsschläfchen auf der Couch eines Kleingartens im 13. Wiener Gemeindebezirk Hietzing gibt ihm Kraft für seine nächtlichen Streifzüge und bei der S-Bahn Hernals hat er einen Bau.

Fuchs

Wiener Wildnis

Auf der Plattform kann man sich die Sichtungen aller User ansehen, Fotos betrachten oder online stellen und bekommt wichtige Beobachtungstipps. Wer rechnet schon damit, einem Biber auf der Höhenstraße zu begegnen, dass Eisvögel den Winter im Stadtpark zubringen, sich Wildschweine bis über die Stadtgrenze wagen?

Das Jahr des Dachses

Das nächste Jahr steht im Zeichen des Dachses. Bei diesem Tier ist die Wissenschaft ganz besonders auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen.

„Der Dachs ist nachtaktiv und deswegen besonders schwer zu erfassen und zu studieren. Anders als der Fuchs ist er nie bei Tag oder in der Dämmerung unterwegs.“ Um zur Mitarbeit an der Dachs-Spurensuche anzuregen, gibt es auch „Citizen Science Awards“ zu gewinnen. Und Pläne für die Zukunft gibt es schon genügend.

Dachs

Marc Graf

Vom Glühwürmchen zur Sumpfschildkröte

Richard Zink würde gerne alle österreichischen Hauptstädte in das Projekt eingebunden wissen. „Es wäre extrem spannend, den Wildtierbestand von Wien und Graz vergleichen zu können – ich hoffe, dass wir die Plattform bald österreichweit anbieten können.“

Und an beobachtungswürdigen Wildtieren mangelt es nicht. „Es wäre z.B. interessant zu beobachten, wo es noch Bestände der heimischen Sumpfschildkröte gibt und wo sie schon von entkommenen oder ausgelassenen, exotischen Schildkröten verdrängt wird“ sagt Richard Zink.

„Aber auch über die Verbreitung von Siebenschläfern, der Haselmaus oder der Glühwürmchen in der Stadt wüssten wir wirklich gerne mehr.“

Josef Glanz, Ö1 Wissenschaft

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