Studierende Flüchtlinge: „Kafkaeske Hürden“

Letztes Jahr hat die Universitätenkonferenz die Initiative MORE ins Leben gerufen: Sie soll Flüchtlingen die Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums erleichtern. Funktioniert das in der Praxis auch? Nun liegen erste Erfahrungswerte und Statistiken vor.

Abdalla Mohammad stammt aus Qamischli, eine Stadt in der Kurdenregion im Nordosten Syriens. 2013 ist er aus Syrien vor dem Krieg geflüchtet. Zunächst in die Türkei, dann über die Balkanroute nach Österreich. Vor 15 Monaten kamen er und seine Frau in Traiskirchen an, nun sind die beiden in Gablitz, Niederösterreich, gelandet. Dort wohnt das Ehepaar in einem kleinen Holzhäuschen.

„Die Situation hier ist natürlich gut. Viel besser als in Serbien oder in der Türkei. Ich muss erst einmal meine deutsche Sprache gut lernen“, sagt Mohammad gegenüber science.ORF.at.

Abdalla Mohammad sitzt an einem Holztisch im Freien

ORF/Czepel

Abdalla Mohammad in Gablitz, NÖ

Er und seine Frau haben in Syrien Philosophie studiert und wollen das Studium nun in Österreich fortsetzen. Herr Mohammad hat bereits die Nostrifizierung seines Bachelors in der Tasche. Nun geht es darum, einen Job zu finden - und Sprachkurse zu absolvieren. Um in Österreich studieren zu können, ist nämlich Sprachniveau B2 die Voraussetzung - das entspricht in etwa dem Niveau einer Englischmatura.

Österreichweit 1.159 MORE-Studenten

Um Flüchtlingen mit Bildungsambitionen den Studieneinstieg zu erleichtern, hat die österreichische Universitätenkonferenz letztes Jahr die Initiative MORE gestartet. Die Idee: Flüchtlinge können sich als außerordentliche Hörer an den Unis einschreiben und Kurse besuchen.

Erstens, um in der Warteschleife des Asylantendaseins etwas tun zu können, aktiv zu bleiben - eine wichtige Voraussetzung für die Integration in die Gesellschaft. Und zweitens, um zu sehen, wie bei uns der Studienbetrieb abläuft. Mehr als 1.159 Flüchtlinge haben seit September von diesem Angebot Gebrauch gemacht - die meisten davon stammen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan.

Anspruch auf Mindestsicherung verfällt

Das Problem ist: Der Umstieg auf ein reguläres Studium ist für viele nicht leistbar. Verantwortlich dafür ist die rechtliche Lage während der Vorstudienphase, sagt Nadine Shovakar von der Universitätenkonferenz.

Sendungshinweis

Über dieses Thema beerichtete auch das Ö1-Mittagsjournal, 30.6.2016, 12 Uhr.

„Als anerkannter Flüchtling hat man Anspruch auf Mindestsicherung. Diesen Anspruch verlieren Flüchtlinge während der Vorstudienlehrgänge. Gleichzeitig sind sie aber auch nicht anspruchsberechtigt für ein Stipendium. Hier entsteht eine Finanzierungslücke: Die Flüchtlinge können von staatlicher Seite keine Unterstützung bekommen - das macht es für sie natürlich schwierig.“

Schwierigkeiten bereitet auch die österreichische Bürokratie, betont Aisan Afshar vom Referat für antirassistische Arbeit der ÖH Uni Wien: „Zu unseren Beratungen kommen hochqualifizierte Leute, die sehr großes Interesse daran haben, in Österreich ein Studium zu absolvieren. Aber die verlieren sich in diesen teilweise kafkaesken bürokratischen Hürden. Viele schaffen es trotzdem, aber es ist nicht so einfach.“

Nicht alle Universitäten beteiligt

Beim Blick auf die Regionalstatistiken fällt auf: Die Umsetzung von MORE ist an Österreichs Unis höchst unterschiedlich. Salzburg hat das Programm mit großem Engagement umgesetzt - dort gibt es 443 MORE-Studenten. Ebenfalls mit Engagement dabei sind etwa die Uni Klagenfurt und die TU Wien.

An der Uni Wien gibt es hingegen gerademal zehn offizielle MORE-Studenten. Die größte Uni des Landes nimmt also de facto an dem Projekt nicht teil. Laut Auskunft des Rektorats betreibt man dort allerdings unter dem Label „Wir helfen“ ein eigenständiges Förderprogramm für Flüchtlinge. Derzeit sind 153 Asylwerberinnen und Konventionsflüchtlinge an der Uni Wien eingeschrieben.

Abdalla Mohammad hofft, innerhalb eines Jahres so weit zu sein, sodass auch er sein Studium wieder aufnehmen kann. „Das ist unser Plan. Heute alles gut. Wir hoffen, wir machen unseren Plan fertig.“

Robert Czepel, science.ORF.at

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