Gentech-Bakterien greifen Krebsgeschwüre an

Im Kampf gegen den Krebs setzen US-Forscher nun auf programmierte Salmonellen: Die genetisch veränderten Bakterien produzieren einen Wirkstoff, der Tumorzellen tötet.

Bei ihrer Studie hätten er und seine Kollegen sich davon leiten lassen, dass eine Krebstherapie möglichst wenig Schaden im Körper des Patienten anrichten soll, sagt Jeff Hasty von der University of California San Diego in La Jolla. „Wir wollten eine beträchtliche therapeutische Nutzlast an die erkrankte Stelle liefern.“ Die Forscher verwendeten Bakterien, die besonders Tumore besiedeln.

In das Erbgut bestimmter Salmonellen setzten sie mehrere Gene ein, die eine Art Selbstzerstörungsmechanismus bewirken. Die Bakterien stellen ein Protein namens AHL her, das sich zwischen den Zellen einer Bakterienkolonie in einem Tumor verbreitet. Erreicht die AHL-Konzentration einen bestimmten Grenzwert, löst das Protein die Produktion eines Stoffes aus, der die Bakterienzelle auflöst. Einige der Salmonellen überleben die Massenselbsttötung der Kolonie und können im Tumor wieder eine Population aufbauen.

Während die veränderten Salmonellen sich vermehren, produzieren sie dank eines weiteren eingeschleusten Gens ein Gift, das Krebszellen tötet. Lösen sich die Bakterien auf, wird dieses Gift freigesetzt.

„Problem elegant gelöst“

Siegfried Weiß vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig findet das Konzept der US-Forscher ausgesprochen innovativ. Es sei zwar nicht schwierig, Salmonellen dazu zu bringen, einen bestimmten Stoff zu produzieren, wohl aber, diesen Stoff auch freizusetzen. „Dieses Problem haben die Forscher sehr elegant gelöst“, betont Weiß, der nicht an der Studie beteiligt war.

Hasty und Kollegen testeten die genetisch veränderten Salmonellen zunächst in Nährlösungen. Um die Zyklen sichtbar zu machen, in denen die Kolonie wächst, sich größtenteils auflöst und wieder wächst, integrierten sie ein weiteres Gen in das Bakterium.

Es sorgt dafür, dass die Zellen Licht aussenden. In Zeitrafferfilmen (siehe Video) zeigen sich aufleuchtende und wieder verschwindende Bakterien. Die Forscher wiesen nach, dass der Anti-Krebs-Wirkstoff, von mehreren Tausend Salmonellen gleichzeitig freigesetzt, menschliche Krebszellen in der Nährlösung tötet.

Drohnen im Körper

An der Studie waren auch Forscher um die Biotechnologin Sangeeta Bhatia vom MIT beteiligt. Bhatias Team führte nach den Versuchen im Reagenzglas Experimente an krebskranken Mäusen durch. Dabei zeigte sich, dass die Anti-Krebs-Salmonellen das Wachstum von Darm- und Lebertumoren zwar einschränken, die Tumore aber nicht abtöten können.

Die besten Ergebnisse brachte eine Kombination aus drei veränderten Bakterienstämmen, die jeweils einen anderen Wirkstoff produzieren, sowie einer Chemotherapie. Damit gelang es immerhin, die Lebenserwartung der Mäuse um 50 Prozent zu erhöhen.

Das Konzept sei spannend und absolut neu, unterstreicht Mathias Heikenwälder vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg: „Das synchronisierte Auflösen einer Bakterienpopulation ist beeindruckend.“ Die Bakterien seien wie Drohnen, denen man ein Programm eingibt, das sie dann ausführen. Allerdings seien noch einige Fragen offen, etwa, ob das Konzept auf die klinische Anwendung übertragbar sei.

In einem „Nature“-Kommentar weist Shibin Zhou von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore darauf hin, dass das Verfahren auch anderweitig angewendet werden könnte: „Eine zyklische Wirkstofffreisetzung könnte für die Behandlung von Krankheiten nützlich sein, die wiederkehrende Dosieruneng erfordern. Zum Beispiel Diabetes und Bluthochdruck.“

science.ORF.at/dpa

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