Schiffe: Vergessene Umweltsünder

Die neuen EU-Klimaziele legen den Staaten ambitionierte CO2-Vorgaben vor, aber ein Sektor kommt im Pariser Klimaabkommen gar nicht vor: Die internationale Schifffahrt ist kaum reguliert - trotz jeder Menge Schwefel, Ruß und CO2.

Vielleicht liegt es daran, dass wir den großen Ozeantankern niemals begegnen oder dass Bilder uns nicht wirklich ihren Lärm und Gestank vermitteln: Bei Schiffen denkt man nicht sofort an Umweltverschmutzung.

Aber es wäre höchste Zeit, sich den weltweiten Schiffsverkehr auch im Hinblick aufs Klima vorzunehmen, sagt Drew Shindell von der Duke Universität in North Carolina, Co-Autor einer neuen Studie über die Umweltauswirkungen des Schiffsverkehrs in Ostasien: „Schiffe sind sehr interessant – einerseits sind sie, was die CO2-Emissionen pro transportierter Tonne angeht, im Vergleich ‚die Guten‘. Aber der Anteil des Schiffsverkehrs bei den Emissionen wird größer und ist kaum reguliert. Es wird sehr schwierig, die Klimaziele auch nur annähernd zu erreichen, wenn wir Sektoren wie die Schifffahrt ausklammern.“

Frachtschiff bei der Einfahrt in den Hafen; im Vordergrund: ein Fischerboot

AFP

Frachtschiffe geben viel Schwefel und Ruß an die Atmosphäre ab - bislang fast unkontrolliert

Damit meint Shindell das Pariser Klimaabkommen vom letzten Dezember. Dort kommt der Schiffsverkehr – wie auch der Flugverkehr - mit keinem Wort vor. Dabei produziert der internationale Gütertransport auf See derzeit schon mehr Abgase als die meisten einzelnen Industrienationen. Wenn die internationalen Gewässer ein Land wären, dann wären sie mittlerweile der sechstgrößte Produzent von Treibhausgasen, zwischen Industrienationen wie Japan und Deutschland.

Niemand fühlt sich zuständig

Sendungshinweis

Über dieses Thema berichtet heute auch das Ö1 Mittagsjournal, 21.7.2016, 12.00 Uhr.

Wer soll für die Klimabilanz von Schiffen, die in internationalen Gewässern kreuzen, zuständig sein? Der Staat, in dem sie registriert sind, oder vielleicht die Nation, in der der Firmensitz liegt, wo die Schiffe jedoch nie anlegen? Bis dato fühlt sich niemand zuständig.

Dass es die Schifffahrt nicht ins Pariser Abkommen geschafft hat, sei aber nicht unbedingt etwas Schlechtes, meint Martin Cames vom deutschen Öko-Institut, der das Klimaabkommen für Deutschland und die Europäische Union mitverhandelt hat.

„Es ist immerhin ein Fortschritt gegenüber dem Kyoto-Protokoll“, sagt Cames. Auf den ersten Blick erscheint das widersinnig. Denn in Kyoto wurden die Industriestaaten dazu angehalten, die Emissionen der Schifffahrt zu senken – jedoch nur die Industrienationen.

Internationale Regeln gefragt

Worin liegt also der Pariser Fortschritt? „Jetzt heißt es ganz generell, dass sich alle um jedwede menschengemachte Emissionen kümmern müssen. Also es kann sich kein Sektor und keine Nation mehr verstecken“, sagt Martin Cames.

Das mache den Weg dafür frei, die Sache endlich bei der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO behandeln zu können, die die internationale Schifffahrt regelt. „Und es war immer EU-Position, dass das Thema zur IMO gehört“, betont Cames. Natürlich wäre eine explizite Erwähnung der Schifffahrt trotzdem wünschenswert gewesen, so der Ökologe.

Umwelt vs. Gewinn

Einen Vorstoß in diese Richtung gibt es zumindest: Im Oktober 2016 wird die Internationale Schifffahrtorganisation über Zielvorgaben für CO2-Emissionen auf den Ozeanen verhandeln. Die Initiative geht auf die Marshallinseln zurück.

Das sei insofern interessant, weil die Marshallinseln der drittgrößte Flaggenstaat sind, erläutert Cames: „Das heißt, sie verdienen gewissermaßen daran, dass sie Schiffe registrieren. Man muss aber auch wissen, dass die Marshallinseln gleichzeitig einer der Staaten sind, die durch den Klimawandel und den Anstieg des Meeresspiegels tatsächlich bedroht sind.“

Die Marshallinseln spüren die Auswirkungen des Klimawandels bereits heute und stehen akut vor einer Frage, die bald globale Relevanz haben wird: Was geht vor, ökonomische Interessen oder Umwelt- und Klimaschutz?

Todesfälle durch Schiffsabgase

In diesem Zusammenhang spielt ein zweiter Befund von Drew Shindells Studie eine Rolle: Pro Jahr sterben etwa 25.000 Menschen in China frühzeitig aufgrund der gesundheitsschädlichen Folgen von Schwefel und Ruß, die ungefiltert aus den Schiffen in die Luft gelangen, und zwar nicht nur in Küstennähe. Bei dieser Zahl handelt es sich um eine Schätzung, die die Wissenschaftler anhand von Modellen erstellt haben.

Diese Zahl wirkt in ihrer Größenordnung bescheiden, wenn man bedenkt, dass in China etwa eine Million Menschen pro Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung verfrüht sterben und noch mehr an Atemwegserkrankungen leiden. Shindell betont, dass man eines nicht vergessen dürfe: Solche Effekte addieren sich nicht einfach. Wäre die grundlegende Luftverschmutzung nicht schon so dramatisch, wäre der Effekt der Schifffahrtsemissionen viel ausgeprägter und die Zahl um einiges höher.

Billiger, schädlicher Treibstoff

Der Grund für diese verheerenden Effekte ist leicht ausgemacht: Die Treibstoffe für Frachtschiffe sind sehr günstig. An Land sind Dieselkraftstoffe mit solchen Schwefelwerten längst überall verboten. Zumindest in einigen Ländern gelten diese niedrigeren Schadstoffwerte auch für die Schifffahrt. Um dieses Problem zu umgehen, wechseln die Schiffsbetreiber dann in diesen Hoheitsgebieten zu einem teureren, reineren Treibstoff – aber eben nur dort.

„Das zeigt zumindest, dass es prinzipiell geht. Denn die Waren werden dadurch nicht merklich teurer. Ohne entsprechenden Druck passiert allerdings nichts“, mahnt Shindell. Deswegen sind hier auch die Konsumenten gefragt. Denn die Weltgemeinschaft habe ein bestimmtes Budget an CO2 zur Verfügung, sagt Shindell. Und wir sollten uns genau überlegen, ob wir es wirklich für den Transport von Äpfeln aus Chile oder Kiwi aus Neuseeland verschwenden wollen, anstatt heimische Waren zu konsumieren.

Isabella Ferenci, Ö1 Wissenschaft

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