Bioinvasoren - mathematisch betrachtet

Wie stark eingeschleppte Arten heimische Pflanzen und Tiere in Bedrängnis bringen, hängt davon ab, wie sehr sie auf ähnliche Ressourcen angewiesen sind. Mit einer neuen mathematischen Methode kann der Verdrängungswettbewerb berechnet werden.

„Eine ökologische Nische kann man mit dem ‚Beruf‘ einer Art vergleichen“, erklärt Robert R. Junker vom Fachbereich Ökologie und Evolution der Universität Salzburg. Ob Pflanze oder Tier, jedes Lebewesen hat spezielle Anforderungen an seine Umgebung, etwa hinsichtlich Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder pH-Werte der Böden.

Die Studie

„Dynamic range boxes – a robust nonparametric approach to…“, Methods in Ecology and Evolution, 28.7.2016.

Die Forscher sprechen in diesem Zusammenhang von „abiotischen“ Faktoren. Unter „biotischen“ Faktoren werden wiederum andere Lebewesen verstanden, die einer Art beim Überleben helfen - so etwa Bestäuber. Außerdem gelte es zu berücksichtigen, dass verschiedene Arten beispielsweise durch ihre Wurzelsysteme wiederum Einfluss auf die Umgebung haben.

Wie groß ist die Nische?

Werden die Faktoren für eine Art bestimmt und zusammengefasst, erhält man mathematisch eine Art „Raum“ oder Volumen, in dem sich ausdrückt, wie groß die Nische ist, die eine Art besetzen kann. Je mehr Merkmale in diese Berechnung eingehen, desto komplizierter wird es.

„Bisher gab es keine vernünftige Methode, um die Größe und die Überlappung solchen Nischen zu berechnen“, sagte der Wissenschafter. Letzteres sei aber wichtig, wenn abgeschätzt werden soll, wie stark Arten zueinander in Konkurrenz stehen - also wie ähnlich der „Beruf“ ist, den sie ausüben. Deshalb hat das Team um Junker zusammen mit Forschern des Fachbereichs Mathematik der Uni Salzburg in dreijähriger Arbeit eine Methode inklusive dazugehöriger, frei zugänglicher Software entwickelt, mit der das nun erstmals möglich ist.

Opfer der Spezialisierung

Das Wirken eingeschleppter Arten wird in Ökosystemen am deutlichsten, die im Urzustand relativ artenarm sind. Das gilt ganz besonders für die pazifische Inselgruppe Hawaii, die niemals mit dem Festland verbunden war und aufgrund ihrer Isolation nur von wenigen Tier- und Pflanzenarten erreicht wurde. Seit ungefähr 150 Jahren ist es allerdings vorbei mit der Einsamkeit: „Durch menschliche Aktivität sind viele Arten neu dort angekommen“, sagte Junker.

Zusammen mit Kollegen aus Hawaii gingen die Salzburger Forscher mit ihrer neuen Methode nun der Frage nach, wie eingeschleppte Arten die Bestäubung von Pflanzen auf der Inselgruppe verändern. Dabei zeigte sich, warum die heimischen hawaiianischen Bestäuber wie Nachtfalter, Vögel oder sogenannte Maskenbienen eher schlechte Karten haben und teilweise bereits ausgestorben sind. Der Grund liegt darin, dass die Neuankömmlinge insgesamt weit größere Nischen abdecken und ihr Wirkungsbereich noch dazu oft den gesamten Bereich der heimischen Arten umfasst. Die Bestäubung erledigen dort daher mittlerweile eingeschleppte Honigbienen, die den stark spezialisierten heimischen Arten nicht nur die Ressourcen wegnehmen, sondern ihnen auch keinen Raum zum Besetzen anderer Nischen lassen.

Da in Österreich alle Nischen im Ökosystem deutlich dichter besetzt sind, seien die Effekte eingeschleppter Arten hierzulande nicht so dramatisch wie auf Hawaii, erklärte Junker. Für den Alpenraum sei die neue Methode vor allem interessant, um die Pflanzenzusammensetzung auf verschiedenen Höhenlagen zu analysieren und herauszuarbeiten, wie der Klimawandel diese verändert.

science.ORF.at/APA

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