Ärzte sollen schneller arbeiten können

Qualifikation, Wille zur Arbeit und Integration - das wünscht sich die Politik von Flüchtlingen. Absurd, dass eine Gruppe, die all das erfüllt, in Österreich jahrelang nicht arbeiten darf: Ärztinnen und Ärzte aus „Drittstaaten“. Nun ist eine Reform geplant.

„Ich überlege, nach Deutschland zu gehen“, hat der syrische Arzt Muhammad Yacob im Juni 2016 während des Interviews gesagt, auf dessen Basis dieses Porträt entstanden ist. Grund für diese Überlegung: In Deutschland können Ärztinnen und Ärzte für zwei Jahre eine vorläufige Arbeitserlaubnis erhalten und so an einer Klinik arbeiten, noch bevor ihr Nostrifikationsverfahren abgeschlossen ist.

Zuerst Deutsch, dann Medizin

2015 haben 200 Personen aus nicht EU-Ländern einen Antrag auf Anerkennung ihrer medizinischen Ausbildung an der Nostrifizierungsstelle der Medizin-Uni Wien gestellt - darunter etwa 40 Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und dem Sudan. Gleichzeitig sind beim AMS Wien zurzeit 93 Asylberechtigte gemeldet, die gerne als Mediziner arbeiten würden. Zwei Drittel davon stammen aus Syrien.

In Österreich hingegen hieß es bisher: Zuerst muss so gut Deutsch gelernt werden, dass Stichprobentests und Prüfungen auf Deutsch abgelegt werden können. Auf jeden Fall vorgeschrieben sind in Österreich Prüfungen in Rezeptkunde, Hygiene und Präventivmedizin, Epidemiologie und Sozialmedizin sowie Medizinrecht.

Auf Prüfungsniveau zu kommen, braucht Zeit und Übung. Und in dieser Zeit dürfen Ärztinnen und Ärzte aus sogenannten Drittstaaten derzeit höchstens bei Visiten und Patiententerminen anwesend sein, nicht aber selbst „Hand anlegen“ - für viele sehr frustrierend.Das sieht man auch im Gesundheitsministerium so, wo an neuen Regeln gearbeitet wird.

Prüfungen in Englisch

„Weil viele gut Englisch können, streben wir an, dass die Nostrifizierungsprüfungen auch in Englisch abgenommen werden können“, erklärt Roland Paukner, Koordinator für Flüchtlinge mit ärztlicher Ausbildung des Gesundheitsministeriums. Sprachkurs und medizinische Prüfungen könnten dann parallel absolviert werden - ein wesentlicher Zeitgewinn. „Derzeit es ist es so, dass sich viele - vor allem unter den Flüchtlingen - einfach nicht zutrauen, mit der Nostrifizierung zu beginnen, weil sie vorher Deutsch lernen müssen.“

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema hat auch das Mittagsjournal am 1.9.2016 berichtet.

Und noch eine Änderung hat das Gesundheitsministerium vor: Menschen sollen schon während der Anerkennung in Krankenhäusern einfache Handgriffe machen können - beispielsweise Blutdruck messen, abhören, Spritzen geben, also alle jene Tätigkeiten, die Studierende im Rahmen einer Famulatur machen dürfen. Das soll durch eine Novelle des Ärztegesetzes im Herbst möglich werden.

In der Umsetzung „hapert es“

„Es tut dem Spracherwerb gut, es tut dem Kontakt mit dem ursprünglichen Beruf gut, und die Menschen können sich dadurch schneller in den Beruf und damit auch in unsere Gesellschaft integrieren“, so Roland Paukner.

Österreich wäre aber nicht Österreich, wenn den guten Vorsätzen nicht ein „Aber“ folgen würde: „Ich höre zwar von allen Seiten, dass es große Bereitschaft zu Änderungen gibt, aber in der Umsetzung hapert es ehrlich gesagt nach wie vor. Da würden wir uns mehr Geschwindigkeit wünschen.“

Und zwar nicht nur von den Universitäten, so Paukner, sondern auch von der Ärztekammer, die den Fachkollegen durch Aufnahme in die Ärzteliste letztlich die Arbeitserlaubnis erteilt. Manche formalen Vorgaben würden zu eng ausgelegt, etwa das Leumundszeugnis müsse laut Gesetz schon heute nicht verlangt werden, die Ärztekammer tue das aber nach wie vor.

Hoffen auf den Herbst

Der Präsident der Wiener Ärztekammer, Thomas Szekeres, sagt dazu: „Ich sehe hier kein Problem bei der Ärztekammer, aber man muss jeden Fall individuell beurteilen.“ Das Leumundszeugnis sei bisher kaum ein Problem gewesen. Und: „Man wird sich sehr bemühen, korrekt, aber auch schnell vorzugehen.“ Schließlich habe man in der Vergangenheit auch schon Fälle gehabt, in denen jemand eine Qualifikation nur vorgegeben hat. Fakt ist aber auch: 2015 haben rund 200 Menschen eine Nostrifizierung beantragt, bis zur Ärztekammer Wien im Sinn einer Ersteintragung in die Ärzteliste „durchgedrungen“ sind in diesem Jahr 12.

Roland Paukner vom Gesundheitsministerium betont, dass es in einem Vierteljahr zu schaffen wäre, das Verfahren zu beschleunigen. „Aber ich weiß, dass wir schon ein Dreivierteljahr darüber reden, also hoffe ich auf das nächste Vierteljahr.“ Und so heißt es für die betroffenen Ärztinnen und Ärzte einmal mehr: Bitte warten.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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