Unis: „Hier sind Sie goldrichtig“

Universitäten und Fachhochschulen sollen schärfere Profile entwickeln und ihr Angebot besser abgleichen, wenn es nach dem Wissenschaftsministerium geht. Aber wie sehen die Hochschulen selbst die Zukunft? Uniko-Präsident Oliver Vitouch gibt fünf Antworten.

science.ORF.at: Welche Studienrichtungen, die heute von Universitäten angeboten werden, würden Sie gerne an den FHs sehen bzw. welche Angebote der FHs könnten zu den Universitäten wandern?

Oliver Vitouch: Die Studienrichtungen, die an Österreichs Universitäten angeboten werden, sind auch in anderen Ländern universitär. Die Universitäten qualifizieren dabei nicht nur für wissenschaftliche Karrieren, sondern für einen akademischen Arbeitsmarkt, von den klassischen freien Berufen wie Ärztin, Anwältin oder Ziviltechnikerin bis zu verschiedensten Wirtschaftssparten.

Der Uniko-Präsident Oliver Vitouch

Ursula Berger-Hummel, ORF

Der Psychologe Oliver Vitouch ist Präsident der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko) und Rektor der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt.

Eine Verlagerung von Angeboten an FHs ist unter drei Voraussetzungen sinnvoll: 1. Sind die Universitäten in diesem Bereich überlastet und unterdotiert? 2. Passen Thema und Berufsqualifikationen zum Ausbildungsprofil einer FH? 3. Sind die FH-AbsolventInnen für die öffentliche Hand kostengünstiger? Gegenwärtig sind wir vielfach in der paradoxen Lage, dass FH-AbsolventInnen „teuer“, Uni-AbolventInnen aus sogenannten Massenfächern „billig“ sind. Jedenfalls geht es in der Debatte nicht um die Verlagerung ganzer Fächer an die FHs (sodass diese nicht mehr universitär studierbar sind), sondern um Entlastung, Ergänzung und Kapazitätserweiterung.

FHs haben den Nimbus, „praxisnahe“ zu sein und für die Wirtschaft „passgenaue“ Absolventinnen und Absolventen zu „produzieren“: Bedeutet Praxisferne in diesem Sinne automatisch Universität, Praxisnähe Fachhochschule?

FHs qualifizieren für die „Praxis von heute“, Universitäten für die „Praxis von morgen“. Bei UniversitätsabsolventInnen geht man generell davon aus, dass die Halbwertszeit ihres Wissens länger und die Kompetenz zur Lösung neuer, zukünftiger Probleme größer sein soll.

FHs sind hinsichtlich Studienalltag, Ausbildungsinhalten und Berufsbildern definitionsgemäß schulischer. Bisweilen droht die „Fachhochschulfalle“: Werden die spezifischen Kompetenzen, die ich erwerbe, in fünf oder zehn Jahren noch gebraucht, und habe ich das Rüstzeug erworben, mich selbständig entsprechend weiterzubilden? FH-Ausbildungen sind also stärker auf ganz bestimmte gegenwärtige Bedarfe konzentriert, verbunden mit dem Risiko, dass die erworbenen Kompetenzen auch rascher wieder „von gestern“ sein können.

Was bringt Studierenden eine Studienplatzbewirtschaftung? Steht dahinter nicht eine Ausdehnung der Zugangsbeschränkungen und den damit verbundenen Folgen (sinkende Akademikerquote, stärkere soziale Selektion …)?

Zukunft der Hochschulen

Anfang 2016 hat das Wissenschaftsministerium einen Strategieprozess rund um die Frage gestartet, wie der Hochschulsektor in Österreich zukünftig organisiert und finanziert sein soll. Welche inhaltlichen Vorstellungen gibt es dazu? Welche Ziele verfolgen die Hauptakteure in diesem Prozess, der bis Ende 2017 abgeschlossen sein soll? science.ORF.at geht diesen Fragen in einer Serie nach.

Bisher erschienen:

Eine Studienplatzbewirtschaftung bringt Studierenden ein qualitätsvolleres Studium, weitaus bessere Chancen, ihr Studium abzuschließen, eine Senkung der Studiendauer und ein Universitätsstudium, das diesen Namen auch verdient. Studienplatzbewirtschaftung heißt Verbesserung der Betreuungsrelationen und Kostenwahrheit. Will man mehr Studienplätze, dann müssen diese auch dotiert werden – bei den FHs eine Selbstverständlichkeit. Es ist also eine Art „Studienqualitätssicherungsautomatik“.

Weniger AnfängerInnen können sogar zu mehr Absolventinnen führen. Der sozialen Selektion ist mit aktiven First-Academics-Programmen zu begegnen, statt so zu tun, als mache der sogenannte „freie Zugang“ alles wett und gut. Das tut er, empirisch erwiesen, nicht. Die gegenwärtigen Studienbedingungen sind sozial selektiv und schlicht frustrierend. Entscheidend ist, dass der Staat Farbe bekennen muss: Wie viele Studierende kann und will er, unter halbwegs gesicherten Rahmenbedingungen, finanzieren? Alles andere ist Freierzugangsschwindel per seit 30 Jahren ungedecktem Scheck.

Wie sieht das Gesamtbudget der FHs bzw. Universitäten in Österreich aus? Wie viel kostet ein Studierender pro Studienplatz an FHs bzw. Universitäten? Und wie viel kosten Sie im Schnitt dem Steuerzahler?

Die 21 österreichischen Universitäten (inkl. Medizin und Kunst) sind derzeit mit € 2,7 Mrd. jährlich bundesfinanziert. Zum Vergleich: Harvard alleine hatte 2015 Ausgaben von US$ 4,5 Mrd. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung hat einen Nachbarländervergleich angestellt: Pro Universitätsabsolventin stellt Bayern 1,4 Mal soviel, die Schweiz mehr als doppelt soviel bereit wie Österreich. Bei den Mitteln pro Student fällt der Vergleich noch drastischer aus.

Veranstaltung

Der Zukunft der Hochschulen widmet sich die Konferenz „Differenzierung im Hochschulsystem: Notwendigkeiten, Chancen und Risiken“ am 21.10.2016 - weitere Informationen.

Eine mir nahegelegene FH verfügt über rund € 14.000 jährlich pro Student, weil Land und Gemeinden ihr die Bundesmittel insgesamt verdoppeln: Alles aus öffentlicher Hand. Die Universität Klagenfurt verfügt hingegen, je nach Betrachtung, über rund € 6.000 pro Student. Das ist eine wahrlich verkehrte Welt. Die Fördersätze des Bundes für FH werden 2016 auf € 7.000.- bis € 8.800.- pro Student gehoben (je nach Technikanteil). Die Universitäten, mit Ausnahme der anders zu betrachtenden Med- und Kunstunis, sind von solchen Sätzen schmerzlich weit entfernt.

Stellen Sie sich vor, Sie müssen in 20 Jahren eine Werbeannonce für die Universitäten schalten. Was würden Sie hineinschreiben, um Studierende anzuziehen?

In 20 Jahren ist das politische Patt überwunden, und die Studien- und Forschungsbedingungen an den österreichischen Universitäten haben sich entscheidend verbessert. Die vorhandene Qualität wird die beste Werbung sein: Es geht darum, auch für die besten WissenschaftlerInnen und Studierenden attraktiv zu sein.

Ich würde zwei Kampagnen schalten:

Zukunft. Seit 1365.

Nobelpreisträgerin von morgen? Hier sind Sie goldrichtig.

Mehr zum Thema: