Rot macht doch nicht attraktiv

Rot gilt nicht nur als die Farbe der Liebe, es soll tatsächlich anziehender machen. Das wollen zumindest psychologische Studien herausgefunden haben. Gleich mehrere Versuche, den Zusammenhang zu bestätigen, sind nun allerdings gescheitert.

Es klang fast zu einfach, um wahr zu sein: Um attraktiver und begehrenswerter zu erscheinen, reicht es, in ein rotes Kleid zu schlüpfen. Zu diesem Schluss kamen die Forscher um Andrew Elliott von der Universität Rochester 2008 in einer Studie.

Die Erklärung für das Phänomen schien durchaus plausibel: Seine biologischen Wurzeln machen den Mensch empfänglich für die Signalfarbe. Im Tierreich signalisieren z.B. weibliche Schimpansen und Paviane den Männchen ihre Empfängnisbereitschaft durch rote Färbung der Geschlechtsregion. Kulturell steht Rot zudem für Liebe und Leidenschaft.

Schön, aber falsch

Die Untersuchung blieb nicht die einzige, die der Farbe besondere Wirkungen attestierte. So sollen auch Männer in Rot Frauen stärker anziehen und rot gekleidete Kellnerinnen mehr Trinkgeld bekommen.

Alles passt so schön zusammen, aber vielleicht ist es trotzdem falsch. Schon 2013 sind Forscher um Michael Lynn von der Cornell University daran gescheitert, das Trinkgeld-Ergebnis zu reproduzieren. Bei ihnen erhielten die Kellnerinnen in roten T-Shirts sogar weniger Trinkgeld als ihre schwarz oder weiß gekleideten Kolleginnen. Weibliche Gäste stuften das rote Personal außerdem als weniger attraktiv ein.

Farbe unwesentlich

Für ihre kürzlich erschienene Arbeit haben nun Forscher um Leonard S. Peperkoorn von der Vrije Universiteit Amsterdam gleich dreimal versucht, den klassischen Rot-Effekt nachzuweisen, gelungen ist es ihnen kein einziges Mal.

Zuerst mussten 206 heterosexuelle holländische Männer die Attraktivität von auf Datingseiten abgebildeten Frauen beurteilen und angeben, ob sie mit diesen intim werden wollten. Die Frauen trugen entweder ein rotes, eine weißes oder ein schwarzes Oberteil. Einige der Probanden waren lediglich an einem kurzen Abenteuer interessiert, andere suchten langfristige Partnerinnen.

Aber egal unter welcher Voraussetzung: Die rote Farbe hat keinerlei Einfluss auf die Entscheidung der Männer. In einer anschließenden Befragung gaben sie sogar zu Protokoll, dass die Farbe für sie der unwichtigste Faktor gewesen war. Die Wiederholung des Experiments mit zweihundert US-Amerikanern brachte dasselbe ernüchternde Ergebnis.

Das Problem der Wiederholbarkeit

Im dritten Anlauf versuchten sie noch die Ergebnisse einer weiteren Studie zu reproduzieren, mit einer um einiges größeren Stichprobe. 433 Männer mussten die sexuelle Attraktivität einer einzigen abgebildeten Frau beurteilen, die rot oder weiß gekleidet war. Das Ergebnis: Die Farbe des T-Shirts hatte keinerlei Einfluss auf das Urteil, egal wie alt die Probanden waren und in welchem Beziehungsstatus sie sich befanden.

Der Rot-Effekt wäre nicht das erste psychologische Phänomen, das an seiner Überprüfung scheitert. Denn in den vergangenen Jahren wurden die kritischen Stimmen immer lauter: Experimente werden in der Psychologie selten oder gar nicht wiederholt, heißt es. Mittlerweile hat man begonnen, ältere Studien im großen Stil zu überprüfen und so mancher Hypothese ging es bereits an den Kragen. Laut einer 2015 in „Science“ publizierten Untersuchung sind ganze zwei Drittel aller Resultate nicht wiederholbar.

Auch wenn die Studienautoren um Peperkoorn einen Rot-Effekt nicht völlig ausschließen. Ihre Arbeit macht erneut deutlich, dass einzelne Untersuchungen für den Beleg einer These bei weitem nicht ausreichen. Ohne Wiederholung bleibt ein Ergebnis nicht mehr als eine Vermutung. Sie appellieren daher an ihre Kollegen, ältere Studien zu wiederholen und auch Null-Ergebnisse zu publizieren.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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