Antibiotika: Wirkung von Umwelt abhängig

Multiresistente Bakterien werden zunehmend zur tödlichen Gefahr. Forscher weisen nun nach: Die Wirkung von Antibiotika ist keineswegs in Stein gemeißelt. Ob sie Keime töten oder nicht, hängt von den Umweltbedingungen ab.

Der Fall jener amerikanischen Patientin, die kürzlich an einer Bakterieninfektion verstarb, gilt als Worst-Case-Szenario. Gleichwohl eines, das laut Medizinern in Zukunft deutlich öfter auftreten könnte: Wie die US-Gesundheitsbehörde CDC am Freitag berichtete, hatte sich die 70-Jährige bei einer Indien-Reise angesteckt. Der verantwortliche Keim Klebsiella pneumoniae erwies sich als multiresistent - alle 26 in den USA zugelassenen Antibiotika verfehlten ihre Wirkung.

Schätzungen gehen von weltweit bis zu 700.000 Todesfällen im Jahr aufgrund von Antibiotikaresistenzen aus. „Wir sind dabei, von den Krankheitserregern in die Enge gedrängt zu werden“, sagt der Antibiotikaforscher Kim Lewis von der Northeastern University in Boston. „Ohne Antibiotika gibt es im Grunde keine moderne Medizin.“

Auf der Suche nach der Achillesferse

Um die Wirkung von Antibiotika auszuloten, haben Wiener Forscher nun einen ungewöhnlichen Weg beschritten - ihr Ansatz: die systematische Variation von Umweltbedingungen. Als Untersuchungsobjekt diente den Wissenschaftlern um Jesse Harrison vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Uni Wien das Bakterium Halomonas hydrothermalis.

Die Mikrobe ist an extreme Lebensbedingungen gewöhnt und hält einiges an Umweltstress aus, beispielsweise Sauerstoff- und Eisenmangel sowie unterschiedliche Salzkonzentrationen. Wie Harrison und seine Kollegen im „Journal of the Royal Society Interface“ schreiben, hängt die Wirkung von Antibiotika ebenfalls stark von diesen Faktoren ab. Der Wirkstoff Ampicillin kann etwa dem Bakterium wenig anhaben, sofern ausreichend Sauerstoff da ist. Ist dieser allerdings nicht vorhanden und wird außerdem auch noch das Eisen knapp, wird das Ampicillin zur tödlichen Waffe. Die Antibiotika Kanamycin und Ofloxacin sind wiederum von der Salzkonzentration abhängig.

Das untersuchte Bakterium Halomonas hydrothermalis sei zwar kein bekannter Krankheitserreger, dennoch habe die Studie auch Bedeutung für die Medizin, sagt Harrison gegenüber science.ORF.at. „Denn sauerstoffarme Bedingungen gibt es auch im menschlichen Körper. Man müsste diese Umweltbedingungen systematisch austesten.“ Nicht auszuschließen, dass man auf diese Weise auch die Achillesferse von so manchem Erreger finden könnte. Die Therapien für Infektionskrankheiten ließen sich so wohl verbessern, zeigt sich Harrison jedenfalls optimistisch.

Irdische Astrobiologie

Der Wiener Forscher hat sich bei seiner Studie übrigens von Kollegen inspirieren lassen, die sich für Mikroben aus dem Weltraum interessieren. Astrobiologen versuchen herauszufinden, unter welchen Bedingungen einfaches Leben auf anderen Planeten existieren beziehungsweise gerade noch existieren kann. Diesen Forschungsansatz hat Harrison nun auf die Erde ausgedehnt. Die „habitable“, also potenziell bewohnbare, Zone, wie dieser Bereich bei Astrobiologen heißt, hat eben ihre Grenzen - auch auf der Erde.

science.ORF.at; Material: APA, AFP

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