Wie man mit Quanten eine Firma gründet

Können aus akademischer Grundlagenforschung erfolgreiche Geschäftsideen entstehen? Die Gründer des Wiener Start-Up CMS machen es vor: Sie setzen Quantentechnologie in der Medizin ein - bald direkt am Krankenbett.

Praktische Anwendungen aus der Quantenforschung sind das erklärte Ziel der neuesten EU-„Flagship“-Initiative, die derzeit in der Vorlaufphase steckt und ab etwa 2018 über eine Milliarde Euro in ausgewählte Projekte investieren will.

Quantentechnologien, so futuristisch das Wort klingen mag, seien keine allzu hoch gesteckten Ziele, heißt es seitens der Europäischen Kommission, sie könnten in vielen Fällen bereits in fünf bis 15 Jahren einsatzbereit sein.

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Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell (20.20.2017, 13.55 Uhr).

Teils geht es dabei auch einfach um „Nebenprodukte“ aus der Forschung. Wie etwa beim Wiener Unternehmen Crystalline Mirror Solutions (CMS), das kürzlich dem Prism Award ausgezeichnet wurde - ein Preis, der Durchbrüche in der Photonik anerkennt. Das Unternehmen stellt Spiegel mit einer kristallinen Beschichtung aus Halbleitern her – ursprünglich gebaut, um die experimentelle Grundlagenforschung des Wiener Quantenphysikers Markus Aspelmayer möglich zu machen.

Grundlagenforschung liefert Produktidee

Eigentlich wollte er Quanteneffekte, die bisher nur an wenige Atome großen Teilchen beobachtet worden waren, auch an größeren Objekten nachweisen, etwa in Wechselwirkung mit Lichtteilchen. Dazu brauchte er aber ein Material, das besser reflektiert als bekannte Spiegel, und auch besonders mechanisch stabil sein sollte, um Störfaktoren bei der Messung abzufangen.

Extrem robust gegenüber Störsignalen: kristalline Spiegel

Crystalline Mirror Solutions

„Nebenprodukt“ der Quantenforschung: kristalline Superspiegel

Im Laufe der Suche begann Aspelmayer mit dem amerikanischen Materialwissenschaftler Garrett Cole zusammenzuarbeiten, um das passende Material zu entwickeln. Die Kooperation war erfolgreich: Sie führte zur Erfindung eines weltweit einzigartigen Produkts - kristalline Spiegel, die weniger Licht und Wärme absorbieren und insgesamt weniger anfällig für Störfaktoren sind als andere Spiegel auf dem Markt. Und sie führte auch zur Gründung der Firma CMS, der nun der ehemalige Mediziner und Berater Christian Pawlu als Geschäftsführer vorsteht.

Das Geheimnis der Spiegel liege in der monokristallinen Struktur der Halbleiterschicht über dem poliertem Glas, erklärt Pawlu. Diese können Licht tausende Male reflektieren, ohne dass ein bedeutender Teil davon absorbiert wird, was eine neue Dimension an Messgenauigkeit eröffne. Bei sämtlichen Messgeräten, die in irgendeiner Weise auf Optik setzen: “Es geht dabei nicht um eine Verbesserung von zehn oder 20 Prozent, es geht um Faktor zehn oder Faktor 100 besser!"

Viefältige Anwendungen

Die Messgenauigkeit hat für die Grundlagenforschung großen Wert, aber die Spiegel könnten auch technische Anwendungen revolutionieren – ob genauere Atomuhren, schnellere Kommunikationstechnologien oder Laser in der industriellen Fertigung.

Die drei Gründer von Crystalline Mirror Solutions

Crystalline Mirror Solutions

Die Gründer von CMS (v.l.): Garrett Cole, Christian Pawlu, Markus Aspelmayer

Heute würden Laser oft unter ihre eigentliche Kapazität heruntergeregelt, sagt Pawlu, weil die gängigen Spiegel nicht so viel Wärmeentwicklung vertragen können. Das Schneiden von Blechen, beispielsweise in der Automobilfertigung oder im Flugzeugbau, könnte mit den CMS-Spiegeln gut fünf Mal so schnell gehen. Auch Schaltteile von Quantencomputern könnten auf die Spiegel als Baustein zurückkommen: Nicht zuletzt Google ist bereits Kooperationspartner.

Atemgasanalyse bei Patienten

Über eine Anwendung spricht Pawlu aber noch lieber, nämlich die Atemgasanalayse. Die Spiegel machen auch möglich, kleinste Konzentrationen von Molekülen in Gasen festzustellen. Man weiß seit einiger Zeit, dass sich in der Ausatemluft eine Art Fingerabdruck der Vorgänge findet, die sich im Körper abspielen, erklärt Pawlu:

„Jeder Krebs, jede Krankheit, auch jedes Bakterium, das sich im Körper befindet, hat seine spezifischen Stoffwechselprodukte. Und die kann man in der Ausatemluft nachweisen. Damit man die gut nachweisen kann, braucht man sehr, sehr sensitive Messmethoden - da kommen die kristallinen Spiegel ins Spiel, mit denen man selbst nur in Spuren vorhandene Moleküle nachweisen kann.“

Pawlu meint, man werde die Atemgasanalyse „direkt ans Krankenbett“ bringen können. Damit kehrt die Medizin über technologische Umwege zu einer alten Tradition zurück: Das Riechen am Patienten war nämlich jahrhundertelang wichtiges Diagnosemittel der Ärzteschaft.

Was Österreich von Amerika lernen kann

CMS will künftig in Österreich fertigen – bisher entstehen die Spiegel noch in einem Reinrarum in Santa Barbara in den USA - etwa 200 Stück pro Jahr. Die Fertigung soll aber bald nach Klosterneuburg übersiedeln, um dort mit rund 15 Mitarbeitern der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Dass man zeitweilig in die USA ausgewandert sei, liege an gewissen Hürden, die es in Österreich noch gebe, wenn es um die Zusammenarbeit Privater mit Universitäten geht, sagt Pawlu

Denn obwohl die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Start-Ups, die etwa aus der universitären Forschung hervorgehen, hierzulande gar nicht so schlecht seien, liege ein Stolperstein doch noch in der Einstellung, im „Mindset“, sagt Pawlu.

Der Übergang von Forschung und Anwendung könnte fließender verstanden werden: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden in den USA zum Beispiel eher einige Jahre in oder an einem Start-Up arbeiten können und dann wieder eine Position an einer Universität übernehmen - genauso funktioniere auch die Kooperation zwischen kleinen Firmen wie CMS und Unis dort oft reibungsloser. Pawlu meint, das liege wohl auch daran, dass in Österreich die Erfahrung damit fehle. Und gibt zu bedenken, dass an Universitäten wie Stanford mehr als ein Start-Up pro Tag gegründet wird und weniger Unklarheit bestehe, wie Verträge und Zusammenarbeit aussehen können.

Um die Zukunft von CMS sorgt sich Pawlu dennoch nicht. Schließlich sie die Firma einziger Anbieter und Patenthalter solcher Spiegel. Am Horizont taucht außerdem das neue Quanten-Flaggschiff der EU auf. Es passt perfekt zu den Kernbereichen der kleinen Wiener Firma.

Isabella Ferenci, Ö1-Wissenschaft

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