Bekanntes ist spannender als Neues

Wer liebt es nicht, Familie oder Freunden neue Geschichten zu erzählen? Für die Zuhörer sind diese Schilderungen aber nicht so spannend, wie die Erzähler meist glauben. Das zeigen Untersuchungen von Psychologen.

Die Forscher der Harvard University und University of Virginia fanden heraus, dass Erzählungen, die wir vorab nicht kennen, meist zu komplex sind, um sie zu verstehen. Nacherzählungen eines Videos oder Buches, die unsere Zuhörer auch gesehen oder gelesen haben, sind für sie meist spannender, so die Forscher.

Bei verschiedenen Experimenten untersuchten sie jeweils Gruppen, bestehend aus einem Erzähler und zwei Zuhörern. Bei dem ersten Experiment sah sich der Erzähler ein Video über die Intelligenz von Kühen an. Der Erzähler versuchte dann die Geschichte seinen Zuhörern nachzuerzählen. Ein paar der Zuhörer hatten das jeweilige Video auch gesehen (Gruppe A). Die anderen Zuhörer kannten das Video wiederum nicht (Gruppe B).

„Die meisten sind schlechte Erzähler“

Interessantes Ergebnis: Gruppe B fand die Nacherzählung nicht allzu spannend im Vergleich zur Gruppe A, die das Video bereits gesehen hatten. „Die meisten Menschen sind schlechte Geschichtenerzähler und lassen oft wichtige Informationen weg“, sagt Daniel T. Gilbert von der Harvard University. Gruppe A konnte offenbar „die Lücken“ in der Nacherzählung selbst füllen.

Auch als die Erzähler Texte wiedergaben, trat derselbe Effekt ein. Unterschiede zwischen Geschlecht, Alter oder Ethnie konnten keine festgestellt werden, sagt Gus Cooney von der Harvard University gegenüber science.ORF.at. „Auch bei Kindern dürfte derselbe Effekt eintreten, wenn nicht sogar stärker“, so Cooney.

Verzerrte Selbstwahrnehmung

Bei einem anderen Experiment mussten sich die Erzähler selbst vorher einschätzen, ob ihre Nacherzählung spannend für die Zuhörer sein wird. Dabei glaubten sie, dass ihre Erzählung bei Gruppe B besser ankommen wird als bei Gruppe A. Genau das Umgekehrte war jedoch der Fall. „Wir machen uns mehr Sorgen um die Spannung einer Geschichte, aber weniger um den Sinn", so Gilbert. Weitere Studien sollen klären, was die Ursachen dieses Effekts sind.

Sunil Kumar, science.ORF.at

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