European University von Schließung bedroht

Universitäten sind immer wieder Ziele politischer Repression - zuletzt etwa in der Türkei und Ungarn. Auch in Russland kämpft eine Hochschule ums Überleben: Die private European University droht angesichts bürokratischer Vorgaben die Lehrlizenz zu verlieren.

Ein fehlender Fitness-Raum. Keine Broschüren über die Gefahren von Alkohol. Die Kontaktinformationen im Internet an der falschen Stelle. 120 derartige Vergehen gegen russische Vorschriften wurden der European University in St. Petersburg im Herbst 2016 vorgeworfen, ein Gerichtsverfahren folgte. Die Gründe für dieses rigorose Vorgehen kenne er nicht, sagt der frühere Rektor und jetzige Leiter der Abteilung für Anthropologie, Nikolay Vakhtin. Nur so viel sei klar: „Es gibt keine Kritik an der Qualität von Forschung und Lehre.“

Die 1994 gegründete Universität gilt heute als eine der führenden privaten Hochschulen Russlands im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften. Unterstützungserklärungen auf der Website zeugen von der internationalen Vernetzung mit britischen, finnischen und französischen Unis.

Immer wieder Ziel von Kritik

Schon in der Vergangenheit war die Universität das Ziel von Kritik, damals war die politische Motivation allerdings klar. 2008 war eine Förderung der Europäischen Union der Auslöser: Die Universität erhielt Geld, um Menschen in der Wahlbeobachtung in Russland zu schulen - „für die Regierung eine Einmischung in innere Angelegenheiten“, so Nikolay Vakhtin. Die Universität zahlte die Förderung zurück, und damit war der Streit beigelegt.

Ö1-Sendungshinweis:

Über die European University in St. Petersburg berichtete auch das Journal am 8.4.2017, 12 Uhr.

Beim zweiten Konflikt kritisierte der für Homophobie bekannte Petersburger Politiker Vitaly Milonov das Angebot von Gender Studies an der Universität. Dass Milonov 2016 als Vertreter der Partei Vladimir Putins in die Duma gewählt wurde, könnte den Druck auf die Universität verstärkt haben, meinen internationale Beobachter. Der ehemalige Rektor kann das nicht bestätigen. Die 120 Verstöße gegen russische Vorschriften habe man jedenfalls alle behoben, sagt er. Im Mai entscheidet die letzte Instanz, ob die European University die Lehrlizenz verliert. Das könnte durchaus passieren, dann werde man sich aber sofort um eine neue bewerben, so Nikolay Vakhtin.

Dennoch wäre das ein Schlag für die Universität, an der junge Menschen aus ganz Europa auf Russisch und Englisch unterrichtet werden. Sie müssten sich zumindest vorübergehend einen neuen Studienplatz suchen, im Herbst 2017 könnten keine neuen Studierenden aufgenommen werden.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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