Bier bringt das Herz aus dem Rhythmus
Die Wissenschaftler des Klinikums der Universität München waren 2015 täglich auf dem Oktoberfest unterwegs. Im Bierzelt sprachen sie Besucher an und baten sie um eine anonyme Teilnahme an einem schnellen EKG mittels Smartphone sowie einem Atemalkoholtest.
Die Studie
„Alcohol consumption, sinus tachycardia, and cardiac arrhythmias at the Munich Octoberfest: results from the Munich Beer Related Electrocardiogram Workup Study“, European Heart Journal, 26. April 2017
„Das Ergebnis war: Je mehr man trinkt, desto mehr Herzrhythmusstörungen entwickelt man“, sagt Moritz Sinner, der die Studie mit seinem Kollegen Stefan Brunner leitete. Fast ein Drittel der Bierzeltbesucher hatte akute Rhythmusstörungen, ein Viertel Herzrasen - und die Probleme stiegen mit der Alkoholmenge.
„Holiday Heart Syndrome“
Kleinere Studien hatten bereits vermuten lassen, dass viel Alkohol über einen kurzen Zeitraum zu Herzrhythmusstörungen führt. Dieses „Holiday Heart Syndrome“ war aber nicht während des Alkoholkonsums, sondern nachträglich nüchtern beim Arztbesuch festgestellt worden.
Das Oktoberfest sei für die Studie besonders geeignet, so Sinner. Tatsächlich gibt es wohl kaum irgendwo sonst über eine so lange Zeit einen so regen Alkoholkonsum: An 16 Festtagen kommen an die sechs Millionen Besucher - und sie trinken insgesamt etwa sieben Millionen Maß Bier.
Die untersuchten Bierzeltbesucher hatten im Schnitt 0,84 Promille Alkohol im Blut, im Einzelnen lagen die Werte zwischen Null und knapp unter drei Promille. Ab drei Promille sind Menschen zu betrunken, um an Studien teilnehmen zu können. „Drei Promille Alkohol im Blut entspricht einer sehr großen Menge an konsumiertem Alkohol und erreicht dabei die Grenze zur Alkoholvergiftung“, erklärt Brunner. Die nötige Menge Bier liege je nach persönlicher Konstitution bei sechs bis zehn Litern.
Rhythmusstörungen bis Herzrasen
Bei 30 Prozent der Studienteilnehmer - Altersschnitt etwa 35 Jahre - fanden die Mediziner Herzrhythmusstörungen, bei knapp 26 Prozent Herzrasen. Sie verglichen die Daten mit Ergebnissen aus einer Langzeitstudie in der allgemeinen Bevölkerung: Die Häufigkeit der Herzrhythmusstörungen lag hier bei ein bis vier Prozent.
Bei den Wiesnbesuchern stieg das Risiko für Herzrhythmusstörungen pro zusätzlichem Promille um 75 Prozent an. „In einigen Fällen gab es auch Vorhofflimmern“, so Sinner. Die Erkenntnisse sind bedeutend, da Vorhofflimmern über einen längeren Zeitraum zu Schlaganfällen oder Herzschwäche führen kann.
Nun wollen die Forscher die Ergebnisse vertiefen. „Das ist unser Ausgangspunkt für nachfolgende Studien“, sagt Sinner. Um die längerfristige Wirkung zu testen, laufen am Uniklinikum Großhadern Untersuchungen mit Langzeit-EKGs an rund 200 Freiwilligen, „die privat Alkohol trinken gehen“.
science.ORF.at/APA