Forscher finden 40 Intelligenz-Gene

Dass Intelligenz zu einem gewissen Grad erblich ist, gilt heute als wissenschaftlich gesichert. Forscher haben nun 40 solcher Intelligenz-Gene entdeckt - sehr viel erklären können sie damit allerdings nicht.

Ist Intelligenz erblich oder wird sie durch Umwelt und Erziehung geprägt? Fachleute gehen heute davon aus, dass eine Mischung von beidem zutrifft. In Gesellschaften, die sich durch Chancengleichheit auszeichnen, ist der Einfluss der Gene stärker, wie die Bildungsforscherin Elsbeth Stern von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich erklärt. Dort können sich Anlagen besser entfalten und werden weniger von sozialen oder ökonomischen Umständen gebremst bzw. gefördert. Bis zu 80 Prozent der Intelligenzunterschiede seien unter diesen idealen Voraussetzungen auf die genetische Ausstattung zurückzuführen, so Stern.

Herausgefunden hat man das bisher mit Hilfe von Zwillingsstudien. Dabei untersucht man unter anderem, wie sich die Denkleistungen von Zwillingen unterscheiden, die nach der Geburt getrennt wurden, oder vergleicht eineiige mit zweieiigen Zwillingen. Statistisch lässt sich so der Vererbungsgrad der Intelligenz berechnen.

Kleiner Teil der Unterschiede

Welche Gene dabei tatsächlich eine Rolle spielen, war bisher weitgehend unklar. Die Zwillingsstichproben sind dafür zu klein. Die Forscher um Danielle Posthuma von der University Amsterdam haben nun in einer Meta-Analyse die genetischen Daten von knapp 80.000 Menschen europäischer Abstammung analysiert und mit gängigen Intelligenzmessungen korreliert. Dabei stießen sie auf 40 neue, mit Intelligenz assoziierte Erbanlagen. Die meisten davon sind - wenig überraschend - im Gehirn aktiv.

Stern vergleicht die Suche nach den für Intelligenz zuständigen Genorten mit der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Die jetzt gefundenen Gene können auch nur einen sehr kleinen Teil der Intelligenzunterschiede erklären - nämlich nur 4,8 Prozent davon, wie die Forscher in ihrer Studie ausführen. „Man könnte es auch so ausdrücken: Von 75 Prozent der Varianz in der Intelligenz wissen wir zwar, dass sie auf Gene zurückzuführen ist, aber wir wissen nicht, welche Gene es sind. Ich bin mir nicht sicher, ob man hier weiterkommen wird“, meint Stern dazu.

Anlagen sind nur Anlagen

Ähnlich eingeschränkt ist der Wissenstand sogar bei Merkmalen, die weit weniger komplex sind als die menschliche Intelligenz, z.B. bei der Körpergröße. „Tausende von genetischen Varianten mit jeweils extrem kleinen Effektstärken tragen zu der insgesamt hohen Erblichkeit des Merkmals bei“, so der Humangenetiker André Reis von der Friedrich-Alexander-Universität. Nur 20 Prozent der Varianz in der Körpergröße kann man heute auf bekannte Gene zurückführen.

Daher sei es auch extrem unwahrscheinlich, dass sich die Intelligenz eines Menschen eines Tages aus den Genen ablesen lässt, meint Stern. Aber nicht nur wegen der schwierigen Suche nach den genetischen Grundlagen, sondern auch weil Anlagen eben nur Anlagen sind. Was daraus wird, entscheiden andere Faktoren. „Die Gene können ihre Wirkung nur unter anregenden Umweltbedingungen auf die Hirnentwicklung und damit auf die Intelligenz entfalten. Wenn genetisch identische Samenkörner an guten oder schlechten Standorten gepflanzt werden, zeigen sich ja auch Unterschiede,“ so Stern.

Dennoch könnte das Wissen um Intelligenzgene eines Tages auch praktischen Nutzen haben, etwa dann, wenn man Gene findet, aus denen sich Lernstörungen ableiten lassen. Laut Stern könnte man dann früher mit gezielten Fördermaßnahmen beginnen.

Eva Obermüller, science.ORF.at

Mehr zum Thema