Weniger Hitzeextreme durch künstliche Bewässerung

Das künstliche Bewässern von Agrarflächen kühlt die Luft. Je heißer die Temperatur, umso stärker ist dieser Effekt, das zeigt eine Studie der ETH Zürich. Messungen von Hitzetagen könnten dadurch bisher unterschätzt worden sein.

Dass das künstliche Bewässern von großen Obst- und Gemüsefeldern die Temperatur senkt, ist im Grunde bekannt. Anstatt den trockenen Boden stärker aufzuheizen, lässt die Energie der Sonne das Wasser im Boden verdunsten - das sorgt für Abkühlung vor Ort.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 9.6. um 13:55

Nun haben Forscher der ETH Zürich entdeckt, dass dieser Kühlungseffekt bei extremen Hitzetagen allerdings vier Mal intensiver ist als an Tagen mit gemäßigter Temperatur. Konkret kühlt es im bewässerten Umfeld im Schnitt um 0,8 anstatt um 0,2 Grad Celsius ab. Einer der Gründe ist relativ simpel, erklärt der belgische Klimawissenschaftler Wim Thiery von der ETH Zürich. „An sehr heißen Tagen wird auch mehr bewässert. Dadurch verdunstet auch mehr Wasser und die Luft kühlt stärker ab.“

Unterschätzte Hitzeextreme

Darüber hinaus spielt auch das Klima in jenen Weltregionen, in denen vorzugsweise bewässert wird, eine erhebliche Rolle. Denn in den stark bewirtschafteten Teilen Italiens, Indiens oder der USA hängt die Temperatur stark von der Feuchtigkeit im Boden ab, so der Forscher. Während sehr heißer Tage reagiere das Klima noch empfindlicher auf das verdunstende Wasser und kühlt dadurch auch stärker ab.

Gemüsefeld wird bewässert

Uwe Anspach dpa/lrs

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass in manchen Regionen, in denen im Sommer viel bewässert wird, Hitzeextreme vielleicht unterschätzt wurden.“ In einem gerade laufenden Projekt wollen die Wissenschaftler nun überprüfen, ob diese Art von Kühlung die CO2-induzierte Erwärmung teilweise kompensiert hat. Wie erste Ergebnisse zeigen, könnte das für Länder wie Indien, Pakistan oder Bangladesch zutreffen, erklärt Thiery. „Es zeigt sich, dass die Hitzetage weniger stark ausgeprägt sind, als es durch die CO2-induzierte Erwärmung sein müsste. Diese beiden Effekte balancieren sich also in manchen Regionen tatsächlich aus.“

Zu wenig Wasser

Könnte also großflächige, künstliche Bewässerung eine Lösung für die steigende Anzahl an Hitzetagen oder gar für die globale Erwärmung sein? „Dafür fehlt uns schlichtweg das Wasser. Denn hierfür müssten wir die Bewässerung weiterhin stark steigern.“ Thierys Simulationen zeigen jedoch, dass im Mittelmeerraum etwa bereits heute fünfmal mehr Wasser für Bewässerungszwecke benötigt, als durch Flüsse verfügbar ist. Es ist also wahrscheinlich, dass in Zukunft nicht mehr, sondern eher weniger bewässert werden kann. Das wiederum könnte in Zukunft zu mehr Hitzetagen führen, so Thiery.

Welchen Einfluss andere Wassermanagementsysteme wie beispielsweise große Dämme sowie Düngung oder Waldbeforstung auf das Klima haben, soll in weiteren Studien von Kollegen untersucht werden. Diese widmen sich derzeit unter anderem der Frage, welchen Einfluss das Abholzen von Wäldern hat. „Hier hat mein Kollege herausgefunden, dass das Abforsten zu einer Steigerung von Hitzeextremen führt. Das heißt, je nachdem, wie Menschen Landschaften und Böden kultivieren, beeinflussen sie auch das Klima und verstärken dadurch den Treibhausgaseffekt oder mildern ihn lokal ab", sagt der Klimaexperte.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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