Bohren bis in die Eiszeit

Weltweit helfen schwimmende Bohrplattformen, Sedimente am Grund von Gewässern zurück bis in die Eiszeit zu untersuchen. Entwickelt wurde die Technologie von einem österreichischen Unternehmen. Eine verbesserte Version soll in Zukunft noch mehr Daten liefern.

Seesedimente liefern wertvolle Informationen über Temperaturentwicklung, Niederschlagsmengen, Hochwasserereignisse, aber auch über die Pflanzenwelt rund um die Gewässer. Pflanzenreste, Blütenstaub, Insekten und Mikroorganismen, Gesteine und viele andere Materialien gelangen über Luft, Wasser und umgebende Berghänge in Seen. Ein Teil davon lagert sich in Schichten Jahr für Jahr am Seegrund ab. So entsteht im Lauf der Jahrhunderte und Jahrtausende ein wertvolles Archiv, das detailliert Umwelt- und Klimaverhältnisse speichert, bis hin zu den Eingriffen des Menschen in seine Umwelt.

Bohrplattform in Tibet

Richard Niederreiter

Bohrplattform in Tibet

Den Blick in diese Unterwasser-Archive ermöglicht seit 30 Jahren das österreichische Unternehmen UWITEC. Vor 30 Jahren hat Richard Niederreiter noch am Limnologischen Institut Mondsee in der Gewässerforschung gearbeitet und ein völlig neues Bohrsystem entwickelt. Zehn Jahre später gründet der Elektromaschinenbauer das Unternehmen – heute kommt seine schwimmende Bohrplattform weltweit zum Einsatz, auf schwer zugänglichen Gebirgsseen wie in der Arktis. Die renommiertesten Klimaforschungs-Institute und Universitäten weltweit gehören zur Stammkundschaft.

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 25.7. um 12:00

„Wir haben uns von Anfang an nach den Anforderungen der Wissenschaft gerichtet. Und eine schwimmende Plattform konstruiert, die an schwer zugänglichen Gebirgsseen wie in der Antarktis leicht einzusetzen ist. Das wesentliche ist, den Bohrkern, der ja so wichtige Informationen enthält, unbeschadet – also weder gequetscht noch verwirbelt – an die Oberfläche zu holen", erklärt Niederreiter. Denn jeder Millimeter zählt und birgt wertvolle Informationen, die dann in den High-Tech-Laboren der Wissenschaft exakt analysiert werden.

Blick in die Klimageschichte

Die flexible Plattform, ein Stahlrohr, das von Gewichten in den Boden gerammt wird, und integrierte Plexiglasröhren für die Sedimentkerne – diese einfache, aber ausgeklügelte Konstruktion ist für die Klimaforschung weltweit eine große Hilfe. Waren die Bohrkerne vor 30 Jahren 20 Meter lang, liegt die Spitzenleistung des UWITEC-Sedimentbohrers heute bei 54 Metern. Und kommt bei Meeresbodenuntersuchungen in der Adria ebenso zum Einsatz wie in Sibirien, der Antarktis oder in Tibet, auf einer Höhe von 4000 Metern.

Einer der Bohrkerne

UWITEC

Einer der Bohrkerne

Für Kerstin Kowarik, Umweltarchäologin am Naturhistorischen Museum Wien und zuständig für Bohrungen am Hallstätter See ein unverzichtbares Tool, das bei der Erforschung der Mensch-Umwelt-Beziehung vor tausenden Jahren hilft. „Die Analyse der Seebohrkerne liefert - verbunden mit Proben aus den umliegenden Mooren - tiefe Einblicke in die Mensch-Umwelt-Beziehung Hallstatts vor tausenden Jahren. Wie haben die Menschen hier gelebt, was haben sie angebaut, wie haben sie in ihre Umwelt eingegriffen. Sogar Naturkatastrophen wie Überschwemmungen oder Murenabgänge können wir rekonstruieren.“

Prototyp in Entwicklung

Absolutes Highlight ist aber ein Entwicklungsauftrag einer schwimmenden Bohranlage (zur Sedimententnahme), im Auftrag der deutschen Forschungsgesellschaft. Der Prototyp mit Spezialantrieb soll Bohrkerne bis zu 100 Metern Länge aus dem Boden holen – also doppelt so lange wie bislang möglich.

Bohrplattform in Tibet

Richard Niederreiter

Bohrplattform in Tibet

„Der wird dann in Deutschland stationiert – es sind vier Container, eine komplette Einheit mit Plattform, also fix fertig zum Kernentnehmen, sämtliche Aggregate, Winden, Anker . Und die ganzen europäischen Unis können dort Projekte einreichen und die werden dann nach wissenschaftlicher Priorität abgearbeitet", so Niederreiter. Generalprobe ist im Herbst dieses Jahres. Da wird der schwimmende Hochleistungsbohrer am Mondsee erprobt.

Josef Glanz, Ö1-Wissenschaft

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