Debatte über Tibets Besiedlung

Im Jänner lieferten Innsbrucker Geologen und Kollegen den ältesten Nachweis für die permanente Besiedelung des Hochlands von Tibet und entfachten damit eine Debatte in der Fachwelt. Die Studienautoren versuchen die Zweifel nun zu zerstreuen.

Mit drei voneinander unabhängigen Methoden datierten Michael Meyer vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck und sein Forscherteam im Rahmen der im Jänner in „Science“ veröffentlichten Studie die auf dem Hochplateau von Chusang, 80 Kilometer nordwestlich von Lhasa gefundenen Hand- und Fußabdrücke auf ein Alter von 8.000 bis 12.000 Jahre. Zudem erarbeitete das Team aus Archäologen und Anthropologen eine Beweiskette für die permanente Besiedelung des Hochplateaus. Das rief Kritik von den Entdeckern der Abdrücke und früheren Studienautoren hervor.

Laut Meinung chinesischer Forscher wäre eine permanente Besiedelung nur möglich gewesen, wenn die Menschen Landwirtschaft praktiziert hätten. Dafür lägen jedoch keine Beweise wie Überreste von Siedlungen, von Tieren oder Werkzeug vor. Meyer kontert gegenüber der APA: „Wir haben nie behauptet, dass es feste Siedlungen gab. Jäger und Sammler können das Plateau permanent besiedelt haben, dabei aber je nach Jahreszeit den Standort gewechselt und sich in Chusang nur kurzfristig aufgehalten haben.“

Differenz bei Datierung

Das Hauptargument dafür sei, dass jener Teil Tibets, an dem die Fundstätte liegt, sehr schwierig zu erreichen ist. „Zweimal pro Jahr den Weg über den Himalaya anzutreten, wäre für die Menschen viel zu anstrengend gewesen. Sie mussten sich langsam genetisch den extremen Umweltbedingungen wie zum Beispiel der dünnen Luft anpassen. Dies ist ein Prozess, der über Generationen verläuft,“ so Meyer. Die Entdeckung von Hand- und Fußabdrücken von Kindern würden zudem seine These bestätigen, dass saisonale Migration nicht infrage kommt. Nachwuchs mindere den Aktionsradius von Menschen, so der Forscher.

Die Entdecker der Abdrücke beharren wiederum auf ihrer Datierung der Funde. In ihrer Studie aus dem Jahr 2006 gaben sie deren Alter mit 20.000 Jahren an. „Seither sind zehn Jahre vergangen“, kommentiert Meyer. Die Messmethoden hätten sich verbessert, man könne die geologischen Schichten heute viel genauer datieren. Außerdem erreichte damals die letzte Eiszeit ihren Höhepunkt. Wegen Kälte und Trockenheit wäre das Leben auf dem Hochplateau zu diesem Zeitpunkt unmöglich gewesen, sagt der Innsbrucker Experte.

Meyer zeigte sich aber erfreut, dass die Debatte stattfinde. „Die wissenschaftliche Diskussion ist ein guter Prozess, sich mit den Forschungsergebnissen offen auseinanderzusetzen. Das gibt uns auch die Chance, Details noch einmal klar darzulegen.“ Er selbst hat 2016 die Fundstätte zuletzt besucht. Das Areal habe sich stark verändert, da die dort liegenden heißen Quellen zunehmend als Badegelegenheit genutzt werden, berichtet der Geologe. Die Bauarbeiten für eine neue Straße brächten die Fundstätte zwar in Gefahr, hätten aber geologische Schichten freigelegt, die die Analyseergebnisse des Innsbrucker Forscherteams bestätigten.

science.ORF.at/APA

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