Energiewende bis 2050 machbar

Schon 2050 könnten 139 Länder - darunter Österreich - ihre komplette Energie aus Wind, Wasser und Sonne beziehen. Laut Berechnungen wäre dann auch der Strom billiger, es gäbe Millionen neue Jobs und der globale Verbrauch würde um die Hälfte sinken.

Für viele gilt das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015 als großer Durchbruch in der globalen Klimapolitik. Immerhin haben sich damals erstmals 195 Länder gemeinsam dazu bekannt, bis zum Ende des Jahrhunderts komplett auf Kohle, Erdöl und Erdgas zu verzichten und auf erneuerbare Energieträger wie Wind und Sonne umzusteigen; egal ob für den Antrieb von Autos, Flugzeugen oder zum Beheizen von Häusern.

Seither sind knapp zwei Jahre vergangen und die ersten Bilanzen fallen wenig positiv aus. So rechnen Experten damit, dass auch im Jahr 2016 der Treibhausgasausstoß in Österreich sowie in Deutschland gestiegen ist, anstatt zu fallen; zudem steigt der allgemeine Energieverbrauch weiterhin, trotz erster Maßnahmen in Richtung einer Energiewende.

100 Prozent bis 2050

Stellt sich die Frage: Ist es überhaupt möglich, alle notwendige Energie in einem Land wie Österreich, Deutschland oder gar in China oder den USA nur noch aus Wind, Wasser und Sonne zu beziehen? Wie eine aktuelle US-Studie zeigt, ist es (zumindest rechnerisch) möglich - und zwar schon wesentlich früher als gedacht.

Denn - wenn es nach dem Umweltingenieurswissenschaftler Mark Z. Jacobson von der Stanford Universität und seinen Kollegen geht - können bis zum Jahr 2050 139 Nationen ihren Energiebedarf bereits komplett durch erneuerbare Energien decken und dabei langfristig nicht nur Geld, sondern auch Energie sparen. „Derzeit sind die von uns untersuchten 139 Nationen für 99 Prozent des globalen CO2-Aufkommens verantwortlich“, schreiben Jacobson und seine Kollegen – dazu gehören Länder wie Österreich, Indien, China, Nigeria oder Russland. Mit dem von Jacobson nun vorgestellten Fahrplan wäre eine Welt nach dem Pariser Klimaabkommen also in greifbarer Nähe.

Viel Fläche günstig

„Politiker tun für gewöhnlich so lange nichts, bis die Wissenschaft eindeutig zeigt, dass es geht. Diese Vorlage versuchen wir, mit dieser Studie zu geben“, erklärt Mark Z. Jacobson. Hierfür untersuchten er und sein 26-köpfiges Team nationale Daten zu Stromverbrauch, Verkehr, Heizen/Kühlen, Industrie, Land- und Forstwirtschaft sowie zur Fischerei. Dabei zeigte sich, dass in Regionen, in denen vergleichsweise wenige Menschen viel Land bewohnen (wie etwa in China, den USA aber auch in der Europäischen Union), die Energiewende leichter fallen wird als in einem Stadtstaat wie Singapur beispielsweise, wo pro Quadratkilometer rund 8.000 Einwohner leben.

Forscher-Video zur Studie

Für Windräder, Solarpanels und Wasserkraftwerke bleibt hier nur wenig Platz, weshalb Singapur laut den US-Forschern in Solaranlagen im Meer investieren müsste. Österreich wiederum soll laut den Berechnungen größtenteils auf Solar- und Windenergie setzen (insgesamt 80 Prozent) und den Rest aus Wasserkraft speisen. Irland, Namibia oder Nicaragua könnten wiederum einen kleinen Teil der Energie aus Wellenkraft beziehen.

Ein Plan unter vielen möglichen

„Wir zeigen hiermit lediglich eines von vielen möglichen Szenarien." Dabei gehen die Wissenschaftler durchaus ins Detail und rechnen vor, wie viele Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächer, Industriegebäude oder auf den Boden passen und wie man Windparks errichtet, die für verschiedene Zwecke nutzbar sind.

„Natürlich ist das nicht der einzige Weg, wie eine globale Energiewende funktionieren kann. Aber so ein konkreter Fahrplan gibt den Menschen eine mögliche Richtung vor, in die es gehen kann.“ Dass sich die positiven Folgen einer solchen Umstellung nicht allein im Schutz des Klimas erschöpfen, rechnen Jacobson und seine Kollegen ebenfalls vor und zeigen das Jahr 2050 im Vergleich: für den Fall, dass alles so bleibt, wie es ist, bzw. dass die 139 Staaten die komplette Wende schaffen.

Demnach würde im Idealfall international der Energiebedarf um rund 42,5 Prozent sinken. Einerseits weil Elektrizität effizienter ist als Energie aus fossilen Rohstoffen, und zum anderen, weil beispielsweise keine Energie mehr für die Förderung und den Transport von Erdgas und Öl aufgewendet wird, argumentiert Jacobson.

Neue Jobs, reinere Luft

„Darüber hinaus werden global 24 Millionen neue Jobs entstehen und rund vier Millionen Menschen jährlich davor bewahrt, durch Luftverschmutzung zu sterben“, so der US-Forscher. In Österreich kommen die Wissenschaftler auf 80.600 neue Jobs - bereits abzüglich jener Tätigkeitsbereiche, die durch einen Ausstieg aus der fossilen Energiewirtschaft gefährdet sind.

Dass moderne Atomenergie nicht miteinkalkuliert wurde, liegt daran, dass sie nicht unmittelbar einsetzbar ist, sondern bis dahin noch 10 - 20 Jahre vergehen. „Zudem ist sie teuer, nukleare Waffen werden dadurch gefördert und der Atommüll ist weiterhin ein großes Risiko“, heißt es. Biokraftstoffe sowie „Saubere Kohle“ wiederum verschmutzen die Luft zu sehr und fallen deshalb aus dem errechneten Energiewende-Szenario.

Wer am meisten investieren muss

Am meisten Kapital für eine komplette Energiewende müsste laut den Berechnungen übrigens China aufwenden, mit umgerechnet rund 23 Billionen Euro (Umrechnungskurs laut Studie 2013), gefolgt von den USA mit ca. acht Billionen - gerechnet auf die nächsten 33 Jahre. Österreich liegt in diesem Ranking an der 60. Stelle mit ca. 150 Milliarden und Deutschland an 12. mit 1.4 Billionen bis zum Jahr 2050.

Kritikern, die auf die hohen Kosten einer Energiewende hinweisen, hält Jacobson jedoch entgegen, dass die gesamten Kosten für Energie, Gesundheit und Klimakosten ein Viertel von dem betragen, wenn man das System mit fossiler Energie wie bisher weiterlaufen lassen würde. Zudem wären auch das Aufrechterhalten und Erneuern des jetzigen Energiesystems mit Pipelines und Co. nicht kostenlos, so Jacobson.

„Der Rest, den man für die Umstellung wirklich vorlegen müsste, ist eine Investition, die sich rechnerisch durch das Einsparen von Klima- und Gesundheitskosten mehr als aufwiegt.“ Konkret würden im Jahr 2050 bei einem Umstieg der 139 Länder auf ausschließlich Wind, Wasser und Sonne jährlich rund 51 Billionen US-Dollar für Klima- und Luftverschmutzungskosten gespart werden können.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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