Debatte um Impfpflicht in Italien

Zehntausende Menschen sind dagegen auf die Straße gegangen, seit Ende Juli ist die Impflicht für Kinder in Italien dennoch Gesetz. Das Thema sorgt jetzt, wo die Schule beginnt, wieder für lebhafte Debatten.

Die Impflicht wurde für Kinder und Jugendliche unter 16 von bisher vier auf insgesamt zehn Krankheiten ausgeweitet, darunter Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Diphterie und Kinderlähmung.

Der Arzt Roberto Ieraci: „Die Idee des Gesetzes ist sehr korrekt. Denn in den vergangenen Jahren ist die Impfrate in Italien für Masern und Röteln auf rund 87 Prozent anstatt der empfohlenen 95 Prozent gefallen. Das ist für ein modernes Land wie Italien nicht akzeptabel. Alleine dieses Jahr gab es in Italien rund 4.500 Masernerkrankungen.“ Im Vorjahr waren es rund 800.

Nachweise oder Konsequenzen

Die neuen Pflichtimpfungen in Italien sind gratis. Zu Schulbeginn müssen Eltern einen Impfnachweis erbringen, sonst gibt es Konsequenzen. Rechtsanwältin Chiara Spera ist weder mit der Impfpflicht noch mit den Strafen einverstanden:

Ö1-Sendungshinweis

Über das Thema berichteten auch die Ö1-Journale, 8.9., 12:00 Uhr.

„Dieses Gesetz verletzt gleich mehrere Normen unserer Verfassung. Normalerweise erfordert ein solcher Schritt einen gesundheitlichen Notstand. Der liegt in Italien allerdings nicht vor, das sagt auch das Nationale Institut für Gesundheit. Es wurde über vermehrte Masernerkrankungen diskutiert, aber das Gesetz sieht gleich zehn Pflichtimpfungen vor.“

Kinder unter sechs Jahren dürfen nicht in den Kindergarten gehen, wenn sie nicht geimpft sind, für Sechs- bis 16-jährige gibt es eine Geldstrafe bis zu 500 Euro. „Und danach gibt es keine Ansteckungsgefahr mehr?“, sagt die Rechtsanwältin Spera. „Das ist diskriminierend.“

Gefahr durch Ärzte und Krandenschwestern

In Italien ließ vergangene Woche der Fall einer Hebamme in den Marken aufhorchen: Sie war an den Masern erkrankt, könnte mit dem Virus auch ungeschützte Neugeborene infiziert haben. Das Beispiel ist kein Einzelfall: 288 Ärzte und Krankenschwestern sind alleine dieses Jahr in Italien an Masern erkrankt, weil sie nicht geimpft waren. In Verona ist es zuletzt dennoch zu Auseinandersetzungen zwischen Kindergartenbetreuern und Eltern gekommen, die keinen Impfnachweis erbringen wollten.

Auch im Impfzentrum in Rom sind nicht alle Eltern überzeugt: „Für mich ist diese Debatte chaotisch, es ist schwierig zu entscheiden, was richtig ist. Ich hätte die Masernimpfung so wohl nicht machen lassen, jetzt haben wir nicht mehr die Wahl. Aber protestiert würde ich gegen die Impfpflicht auch nicht“, sagt Simona, die ihre vierjährige Tochter in Rom impfen lässt.

Auslöser für die Impfskepsis vieler Italiener war unter anderem die Studie eines britischen Arztes, die einen Zusammenhang zwischen einer Masern-Kombinationsimpfung und Autismus herstellte. Die Studie aus dem Jahr 1998 wurde seitdem mehrmals wissenschaftlich widerlegt, der britische Arzt mit Berufsverbot belegt.

Katharina Wagner, ORF aus Rom

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