Darmentzündungen können depressiv machen

Hilft eine Psychotherapie bei Problemen mit dem Darm? Und gesundes Essen gegen Depressionen? Das Wechselspiel von Darm und Psyche wird derzeit intensiv erforscht - und könnte für ein Umdenken bei der Behandlung von Krankheiten sorgen.

Schon als Babys weinen wir, wenn der Bauch drückt und schlafen zufrieden ein, wenn wir gefüttert wurden. Als Erwachsene haben wir unsere Gefühlsregungen besser unter Kontrolle, Darm und Psyche sind aber nach wie vor eng miteinander verbunden. Über den Nervus vagus schickt das Gehirn Signale an den Darm. „Interessanterweise gibt es aber weit mehr Signale die der Darm an das Gehirn sendet“, sagt Aitak Farzi, die an der Medizinischen Universität Graz zu diesem Thema forscht. So informiert der Darm das Gehirn etwa darüber, dass er leer ist und wieder Nahrung braucht.

Ö1-Sendungshinweis:

Dem Thema widmen sich auch zwei Beiträge in der Sendung Wissen aktuell, 14.9., 13:55 Uhr.

Neueste Untersuchungen zeigen, dass der Darm auch unsere Psyche beeinflusst. Ist er krank, kann sich das auch negativ auf unsere seelische Gesundheit auswirken, so Aitak Farzi.

Kleine Entzündungen des Darms etwa werden mit der Entstehung von Depressionen in Verbindung gebracht. Sie können die Folge einer zu durchlässigen Darmwand sein, die neben wichtigen Nährstoffen auch Bestandteile von Bakterien eindringen lässt. „Sicher nicht alle Personen, die an einer Depression leiden, aber auf jeden Fall ein Teil von depressiven Personen zeigen tatsächlich erhöhte Entzündungswerte“, so die Pharmakologin.

Stress schwächt den Darm

Wieso die Darmwände bei manchen Menschen durchlässiger sind als ihnen gut tut, kann mit unserem Stresslevel zusammenhängen. Sind wir gestresst, benötigt unser Gehirn mehr Energie, um die belastende Situation zu verarbeiten und Lösungen dafür zu finden. Diese Energie leiht sich das Gehirn vom Darm. Um Energie zu sparen, verändern sich die Bewegungsabläufe im Darm.

ORF-Schwerpunkt

Unter dem Titel „bewusst gesund: Aus dem Bauch“ widmen sich zwischen 9. - 15.9. zahlreiche Radio- und TV-Sendungen sowie Online-Beiträge der Frage, welchen Einfluss der Darm auf Psyche, Gesundheit und Wohlbefinden hat.

„Im Dickdarm nimmt die Motorik manchmal zu, im oberen Verdauungstrakt kann sie eher abnehmen, auch die Magenentleerung kann gehemmt sein“, sagt Peter Holzer von der Medizinischen Universität Graz. Der Professor für Experimentelle Neurogastroenterologie leitet die Forschungseinheit, der auch Farzi angehört. Viele Menschen leiden unter Durchfall, wenn sie gestresst sind.

In stressigen Zeiten wird der Darm zudem schlechter durchblutet. Langfristig führt die fehlende Durchblutung dazu, dass die schützende Darmschleimhaut dünner wird und die Darmwände durchlässiger. „So können sie sich nicht mehr so gut gegen bakterielle oder toxische Stoffe wehren, die zum Beispiel in der Nahrung sind“, sagt Holzer.

Kleine Entzündungen könnten sowohl Folge als auch Ursache einer angegriffenen Psyche sein. Stress verändert zudem die Zusammensetzung des Darmmikrobioms, also die Billionen an Bakterien und anderen Mikroorganismen die unseren Darm bevölkern. Wissenschaftler seien aber gerade erst dabei, die dahinterliegenden Mechanismen zu verstehen.

Gereizter Darm, gereizte Psyche

Auch Personen mit dem sogenannten Reizdarm-Syndrom zeigen leichte Entzündungen des Darms. Sie leiden unter einem unangenehmen Drücken im Bauch und tendieren zu Durchfall oder Verstopfung. Überdurchschnittlich oft sind sie auch von Angstzuständen und Depressionen betroffen.

„Die Entzündungen sind nicht stark, deshalb hat man lange geglaubt, dass das Reizdarm-Syndrom eine psychologische Erkrankung ist, also eher vom Gehirn ausgeht. Mittlerweile hat man gesehen, dass da auch biologisch etwas dahinter steckt“, sagt Farzi. Der Darm schickt die Information über die Entzündungen an das Gehirn. Reizdarm-Patienten und –Patientinnen sind etwas empfindlicher gegenüber diesen Signalen als gesunde Menschen.

Essen fürs Gemüt

Die Ernährung dürfte ebenfalls eine wichtige Rolle beim Reizdarm-Syndrom spielen. Vielen Betroffenen habe die sogenannte „FODMAP“-Diät geholfen, so Farzi. Damit wird die Aufnahme bestimmter langkettiger Kohlenhydrate verringert, die etwa in Zwiebeln vorkommen. Bisher unentdeckte Nahrungsmittelunverträglichkeiten könnten ebenfalls eine Rolle spielen.

Wie die Ernährung über den Darm unsere Psyche beeinflusst, zeige sich auch an Jugendlichen, die sich hauptsächlich von Junkfood ernähren. „Die Jugendlichen zeigen deutlich schlechtere Werte was ihre psychische Gesundheit anbelangt und neigen zu Depressionen“, so die Forscherin. Dass die Ernährung Depressionen auslösen kann, ist nicht belegt. Fest stehe aber: Eine ausgewogene Ernährung, wie etwa die mediterrane Diät mit viel frischem Gemüse und ungesättigten Fettsäuren tut unserem Darm gut und damit auch unserer Psyche.

In Zukunft müsse bei der Behandlung psychischer Probleme mehr auf die Gesundheit des Darms geachtet werden, sind Holzer und Farzi überzeugt. Umgekehrt sollte die psychische Gesundheit in die Therapie eines kranken Darms miteinbezogen werden.

Lena Hallwirth, Ö1-Wissenschaft

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