Wettbewerb hilft Alzheimerforschung

Hirnbilder von Mäusen untersuchen und damit der Alzheimerforschung helfen: Das ist die Idee eines Spiels, das jedermann online spielen kann - anlässlich des Welt-Alzheimer-Tags wird es heute österreichweit als Wettbewerb ausgetragen.

Die Alzheimerforscher an der Cornell Universität in den USA haben ein Problem. Um die Daten von den Gehirnscans aus einem einzigen Mausexperiment auszuwerten, brauchen sie ein Jahr. Dafür müssen nämlich tausende Videoscans nach blockierten Blutkapillaren untersucht und abgezählt werden, erklärt Pietro Michelucci vom Human Computation Institute in Ithaka, USA.

Der Kognitionswissenschaftler erkannte, dass die Forschung dadurch aufgehalten wird und entwickelte mit der Seite Stallcatchers.com vor rund einem Jahr ein Online-Spiel, bei dem interessierte Bürger und Bürgerinnen weltweit helfen können, die Daten auszuwerten. „Das Erkennen und Zählen der verschlossenen Kapillaren erinnerte mich an das Bürgerbeteiligungsspiel Stardust@home, das ich vor etwa zehn Jahren gespielt habe. Dabei musste man möglichst viele Kometpartikel in Aerogel finden“, erinnert sich Michelucci an das NASA-Spiel. Ziel von Stallcatchers ist es nun, so viele Blutgefäße wie möglich richtig zu analysieren. Je besser man spielt, desto mehr Punkte erreicht man, desto schwieriger werden aber auch die Bilder.

Durchblutungshemmung im Gehirn

Wie Studien zu Alzheimer in den letzten Jahren zeigten, kündigt sich die Erkrankung nämlich dadurch an, dass die Durchblutung im Gehirn langsamer wird. „Bei gesunden Menschen ist etwa ein halbes Prozent aller Blutkapillaren verstopft - bei Alzheimer-Patienten sind es zwei Prozent - das reduziert die Hirndurchblutung um bis zu 50 Prozent.“

Erklärungsvideo für das Spiel „Stallcatchers“

Die Datensätze, die von den Freiwilligen derzeit untersucht werden, sollen weiter Aufschluss über mögliche Auslöser für die Gefäßblockaden geben. „Wir haben im Spiel Scans aus einer Studie, wo untersucht wird, ob eine fettreiche Ernährung das Verstopfen von Blutkapillaren und somit von Alzheimer fördern könnte.“

Ö1-Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Thema in der Sendung „Wissen aktuell“ am 21.9. um 13:55.

Im nächsten Schritt soll laut Michelucci auch die Effektivität von Medikamenten und Behandlungsmethoden überprüft werden. „Man weiß aus bisherigen Studien, wenn man das Blut in den Gefäßen wieder zum Fließen bringt, kommen auch die kognitiven Fähigkeiten wie Erinnerungen wieder.“ Eine wirksame sowie verträgliche Substanz wurde bisher noch nicht gefunden.

Forschungstempo soll zehnmal so hoch werden

Aktuell spielen weltweit rund 6.000 registrierte Hobbywissenschaftler das Browserspiel auf ihren Laptops oder über ihr Handy. Auf diese Weise konnte das Forschungstempo bereits verdoppelt werden. „Wir hoffen, dass wir mit 30.000 Nutzern die Forschung um den Faktor 10 beschleunigen können.“

Damit die Ergebnisse der Laien auch tatsächlich stimmen und dem Niveau echter Forschungsarbeit entsprechen, wendet Michelucci einen Algorithmus an, der früh erkennt, wie zuverlässig der Spieler ist. „Von den ersten Scans, die von den Teilnehmern untersucht werden, kennen wir die Antwort bereits. Damit können wir den Spieler einordnen, es gibt ihm aber auch die Möglichkeit, das Spiel zu lernen.“

Falsch machen kann man bei „Stallcatchers“ nicht wirklich etwas. Denn selbst, wenn man das Bild nicht richtig interpretiert, kann man auf die Masse vertrauen, erklärt Michelucci. „Wir nennen das die Weisheit der Masse. Wir kombinieren für jedes Blutgefäß die Antworten von mehreren Spielern. Diesen Ansatz haben wir lange getestet und er funktioniert.“ Damit das Spiel und somit die Forschungsergebnisse nicht manipuliert werden können, erkennt die Spielesoftware zudem sogenannte „Game Bots“ - sprich Künstliche Intelligenz, mit denen das Spiel gehackt werden kann, um eine höhere Punkteanzahl zu bekommen.

Heute „Catchathon“ in Österreich

Welche Forschungserkenntnisse aus den Spielergebnissen tatsächlich gezogen werden, wird den Hobbyforschern über ihr Nutzerprofil mitgeteilt. Dieses dient zudem dafür, die Spieler über Alzheimer sowie über den aktuellen Forschungsstand aufzuklären, so der Wissenschaftler.

Anlässlich des Welt-Alzheimer-Tags hat Pietro Michelucci nun zusammen mit dem Open Innovation Center der Ludwig Boltzmann Gesellschaft einen Online Wettbewerb in Österreich organisiert - einen sogenannten „Catchathon“. Rund 50 Jugendliche, junge und ältere Erwachsenen aus Vorarlberg, Salzburg und Wien haben sich auf der Webseite registriert und treten um 14 Uhr in Teams gegeneinander an. Ziel ist es, in einer Stunde so viele Blutgefäße wie möglich richtig zu interpretieren.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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