Immer mehr Glyphosat im Urin

Am Montag haben die EU-Länder die Zulassung von Glyphosat für weitere fünf Jahre erlaubt. Eine vor Kurzem erschienene US-Studie zeigt: Im menschlichen Urin finden sich immer größere Mengen des Unkrautvernichtungsmittels.

An Glyphosat - Hauptbestandteil des weitverbreiteten Unkrautvernichters Roundup - scheiden sich die Geister. Manche halten es für ein gefährliches Gift. So hat etwa die International Agency for Research on Cancer (IARC), eine Behörde der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Substanz 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für den Menschen“ eingestuft.

Auch Umweltorganisationen laufen seit Jahren Sturm gegen das Mittel: Das Totalherbizid töte sämtliche Pflanzen. Es stütze das System einer durchindustrialisierten Landwirtschaft. Besonders die Kombination mit genveränderten Pflanzen wie Mais und Soja, die gegen das Mittel resistent sind, machte Glyphosat zum Kassenschlager. Seit seiner Markteinführung in den frühen 1970er Jahren hat sich sein Verbrauch verhundertfacht. Diese Genmanipulation ist zwar in Europa verboten. Importierte Futtermittel stammen aber mitunter aus den riesigen Plantagen in Übersee, vor allem aus den USA und Südamerika. Ein europäisches Verbot könnte auch in dieser Hinsicht Auswirkung haben, etwa bei den Grenzwerten.

Erbitterter Schlagabtausch

Die Befürworter - dazu zählen nicht nur die Produzenten, sondern auch europäische Aufsichtsbehörden wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) - halten das Mittel hingegen für eine unverzichtbare Hilfe in der Landwirtschaft. Das Mittel ermögliche es, Böden ohne viel Aufwand schonend zu bearbeiten.

Rund um die Verlängerung der Zulassung in Europa - die 2016 ausgelaufen ist - gibt es seit Jahren einen Schlagabtausch zwischen Gegnern und Befürwortern. Besonders heftig war der Streit über die Studien, die zur Einstufung der Gefährlichkeit jeweils herangezogen werden. Es ging um Auslegungsfragen, manche Industriestudien sind geheim, und sogar der Vorwurf der „gekauften Wissenschaft“ stand im Raum.

Auch wenn die Behörden inklusive der EU-Kommission bis vor Kurzem eine Zulassungsverlängerung für weitere zehn Jahre befürworteten, stiegen die Vorbehalte der Bevölkerung. Vor rund einem Monat hat Greenpeace in Brüssel eine Onlinepetition übergeben, unterzeichnet von 1,3 Millionen Menschen. Dass einzelne Länder - darunter auch Österreich - gegen die Verlängerung stimmen werden, war damals schon fix. Österreich stimmte dementsprechend am Montagnachmittag dagegen, wie Diplomaten erklärten.

Urin-Studie weist Belastung nach

Aber nicht nur in Europa macht man sich Gedanken über das umstrittene Pflanzenschutzmittel. Im Juli dieses Jahres setzte die kalifornische Behörde für Gesundheit und Umwelt die Substanz auf die Liste potenziell krebserregender Chemikalien. Diese Warnung muss nun auch auf Verpackungen stehen. Dass der flächendeckende Einsatz von Glyphosat im US-Bundesstaat nicht ohne Spuren geblieben ist, zeigt die vor Kurzem veröffentlichte Studie der Forscher um Paul J. Mills von der University of California in San Diego. Sie analysierten Urinproben aus der seit 1972 laufenden Rancho Bernardo Study. Die Studie umfasst Daten von etwa 6.500 mehrheitlich weißen mittelständischen Bewohnern - etwa 100 hatten regelmäßig Urinproben abgegeben.

Ein Vergleich der Proben aus den Jahren 1993 bis 1996 mit jenen aus dem Zeitraum von 2014 bis 2016 zeigt, dass der Anteil von Glyphosat und eines seiner Stoffwechselprodukte deutlich zugelegt hat. Laut den Forschern ist die Belastung um etwa 500 Prozent gestiegen. Die Werte bewegen sich zwar im Mikrogrammbereich, aber die steigende Dosis sei dennoch bedenklich - vor allem, da man immer noch nicht weiß, welche nachteiligen Effekte das Mittel haben könnte. Tierstudien legten jedenfalls nahe, dass vor allem die Langzeitbelastung nicht ohne Folgen bleibt - und dabei geht es nicht nur um Krebs, sondern auch um chronische Erkrankungen, beispielsweise der Leber. Laut Mills bräuchte es dringend mehr Studien, die die gesundheitlichen Folgen des Pflanzengifts näher beleuchten.

Was sind die Alternativen?

Europäische Befürworter betonen indes, dass die Dosis, die über die Nahrung in den menschlichen Organismus gelangt, so gering sei, dass nichts zu befürchten sei - nicht zuletzt, weil die Ernte in Europa anders als die genveränderten Pflanzen in den USA kaum direkt besprüht würden. Und sie warnen außerdem vor schlimmeren Alternativen, die im Fall eines Verbots zum Einsatz kommen könnten.

Auch wenn die gesundheitlichen Risiken sehr gering sein sollten, die Ökosysteme sowie tierischen Organismen leiden in jedem Fall unter dem flächendeckenden Einsatz des Totalherbizids - das bekräftigen Glyphosat-Gegner immer wieder. Ein Verbot wäre daher auch in dieser Hinsicht zu begrüßen. Man müsste eben auf andere - z. B. mechanische - Methoden der Bodenbearbeitung zurückgreifen, das Pflügen könnte eine Renaissance erleben.

Vorbote von Agrarwende

Ein Verbot könnte der Vorbote einer generellen Agrarwende in Europa sein, hoffen manche. Dazu müsste allerdings auch der Einsatz anderer Substanzen eingeschränkt werden. Unter den Glyphosat-Kritikern befinden sich immerhin auch Länder wie Frankreich, dessen großflächige Landwirtschaft sehr industriell geprägt ist. Der zuständige Umweltminister Nicolas Hulot kann sich höchstens eine befristete Zulassung vorstellen, etwa für drei Jahre.

In eine ähnliche Richtung geht der - rechtlich nicht bindende - Vorschlag, den das EU-Parlament im Oktober mehrheitlich beschlossen hat. Ein bis 2022 schrittweise umgesetztes Verbot soll den Landwirten die Umstellung erleichtern. Bis dahin soll es zumindest strengere Auflagen beim Einsatz geben, etwa ein Verbot der Behandlung kurz vor der Ernte - in Österreich gilt ein solches schon jetzt.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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