„Testflug“ für ExoMars-Rover

2020 will die ESA einen Rover zum Mars schicken. Weil dies der erste Versuch der Europäer ist, sich auf dem Roten Planeten mobil zu bewegen, will man auf Nummer sicher gehen. Dazu gehört Wissen über das Fahrverhalten: Das wird nun in einem Flugzeug getestet.

Dass Europa Sonden in die Umlaufbahnen von Mond, Mars und Venus schießen kann, hat es schon mehrfach bewiesen. Auch die Landung einer Sonde auf dem Saturn-Mond Titan hat die europäische Weltraumagentur ESA mit Bravour gemeistert. Nur mit Landungen auf dem Mars hatte sie bislang kein Glück.

Das soll der ExoMars-Rover 2020 ändern. Damit der funktioniert, muss nicht nur die Landung gelingen. Anschließend müssen seine sechs Räder ihn auch zuverlässig vorwärts rollen, betont der Raumfahrttechnik-Ingenieur Lutz Richter, bei OHB-System in Bremen zuständig für ExoMars. “Räder für Mars-Rover müssen genügend Vortriebskraft liefern - und deswegen müssen sie möglichst groß sein.“

Das ESA-Projekt:

ExoMars

Es gehe darum, die Kontaktfläche zwischen Rad und Boden möglichst groß zu machen. Denn je größer ein Rad, desto größer die Vortriebskraft. Große, breite Räder sinken weniger tief in den Mars-Sand ein als kleine. Und je geringer die Einsinktiefe, desto geringer der Fahrwiderstand und desto besser lässt sich das Fahrzeug lenken. Aber das bedeutet ein Platzproblem. „Deswegen müssen wir mit Tricks versuchen, auch mit vergleichsweise kleinen Rädern genügend Vortriebskraft zu erzeugen und auch möglichst wenig einzusinken“, so Richter.

Marsboden ist nicht Erdboden

Mittlerweile haben sich die ESA-Ingenieure auf ein Kompromissdesign für Europas erste Räder auf dem Mars verständigt. Nun wollen sie sie erstmals unter den Bedingungen der geringeren Mars-Gravitation testen. Denn auf dem Roten Planeten ist die Schwerkraft nur etwa ein Drittel so stark wie auf der Erde, gibt Chris Skonieczny vom Department for Electrical and Computer Engineering der Concordia University in Montreal zu bedenken. (Kanada ist assoziiertes Mitglied der ESA): „Es besteht ein Unterschied in der Funktionsweise von Rädern auf der Erde und auf dem Mars“, so der Kanadier. „Wenn Sie auf das Erdreich Druck ausüben, machen Sie es fester - lässt der Druck nach, wird es lockerer.“ Die stärkere Erdschwerkraft wirkt wie eine Art Kompressor, der den Boden zusammenhält. Der Boden auf dem Mars ist nicht so kompakt, weil die Gravitation dort schwächer ist.

Der ExoMars-Rover

ESA/ATG medialab

Ö1-Sendungshinweis:

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 3.11., 13:55 Uhr.

Das unterschiedliche Verhalten der Böden von Erde und Mars hat Auswirkungen auf einen Mars-Rover und seine Räder. Auf der Erde gilt: Je leichter ein Rover, desto manövrierfähiger ist er. Reduzieren Ingenieure nun das Gewicht von ExoMars beispielsweise um ein Drittel, wird dieses leichtere Gefährt weniger tief einsinken und sich daher besser steuern lassen. Auf dem Mars gilt diese Schlussfolgerung nicht. Fährt der Rover über den Mars, wird er zwar auch nur ein Drittel wiegen. Da der Mars-Boden aber lockerer ist, wird er trotzdem tiefer einsinken als auf der Erde.

Ein Rover fährt Achterbahn

Das zu wissen, ist eines, die Umsetzung und die Lehren für Europas Mars-Rover sind ein anderes Problem. Deshalb gehen die Räder von ExoMars nun in die Luft. An Bord einer kanadischen Falcon 20 befindet sich ein Sandkasten. Vibrationen und Ventilatoren sorgen dafür, dass der Sand immer locker bleibt, ungefähr so wie auf dem Mars. Über dem Sandkasten ist eines der ExoMars-Räder aufgehängt. Der Versuch beginnt, sobald die Falcon eine Parabel fliegt. „Wir werden uns mit dem Flugzeug in etwa so bewegen wie auf einer Achterbahn“, erklärt Flugingenieur Skoniezcny. „Wenn Sie den höchsten Punkt auf einer Achterbahnfahrt passieren und sich genau im Scheitelpunkt der Kurve befinden, erheben Sie sich leicht aus den Sitzen.“

Ungefähr so soll das Experiment im Innern des Flugzeugs ablaufen: Fliegt die Falcon eine normale Parabel, herrscht am höchsten Punkt sowie im Fall danach Schwerelosigkeit. Der Pilot kann die Parabel jedoch etwas stumpfer fliegen, und zwar genauso, dass an Bord ein Drittel g herrscht und damit Mars-Schwerkraft. „Und dann beobachten wir, wie der Sand in verminderter Schwerkraft auf die Bewegungen des Rades reagiert, wohin er sich bewegt und wohin ihn das Rad schiebt, während es auf ihm fährt.“ 20 Sekunden lang werden an Bord Schwerkraftverhältnisse wie auf dem Mars herrschen. Da sich das Rad genauso schnell drehen soll wie später auf dem Mars, bewegt es sich in dieser Zeit 40 Zentimeter vorwärts. Am Montag sollen die Flugtests beginnen. Dann rollen die Räder von Europas erstem Mars-Rover erstmals unter Mars-Bedingungen.

Guido Meyer, science.ORF.at

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