European University darf nicht mehr lehren

Die private European University in St. Petersburg kämpft um ihr Überleben. Im Sommer wurde ihr nun auch die Lizenz zu unterrichten entzogen. Viele Studierende hoffen, ihr Studium im nächsten Jahr doch noch fortsetzen zu können.

Die Professoren der European University in St. Petersburg drängen sich seit einem Monat in einem neuen, eigentlich zu kleinen Gebäude. Den bis 2063 laufenden Mietvertrag für das ursprüngliche Gebäude im Zentrum hat die St. Petersburger Stadtverwaltung aus für die Universität nicht nachvollziehbaren Gründen nämlich überraschend gekündigt. Doch das ist gar nicht das schlimmste Problem, mit dem Rektor Nikolai Wachtin zurzeit zu kämpfen hat. Die private Post-Graduate-Universität hat nämlich im Sommer ihre Lizenz zu unterrichten verloren, erklärt Wachtin.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 1.12. um 12:00

„Alle ausländischen Studenten mussten gehen. Das waren vor allem Amerikaner, aber auch Europäer. Sie hatten Studentenvisa, und da wir nun nicht mehr lehren dürfen, haben diese Visa ihre Gültigkeiten verloren und die Studenten mussten das Land verlassen. Russische Studenten hatten wir circa 100, von ihnen sind 12 an andere Universitäten gegangen. Die restlichen warten, ob unsere Lehrlizenz nicht doch erneuert wird. Sie sind ja alle in Magister- und Doktoratsprogrammen und sie arbeiten jetzt an ihren Forschungsarbeiten weiter. Aber unterrichten dürfen wir sie nicht.“

Geplante Kampagne

Ende Dezember soll es eine Entscheidung im Berufungsverfahren gegen den Entzug der Lehrlizenz geben - und Rektor Wachtin bleibt zuversichtlich. Entzogen wurde die Lizenz nämlich nicht wegen Mängeln bei Forschung oder Lehre. Als Vergehen wurde vielmehr angeführt, der Sportsaal der Uni befinde sich nicht im Hauptgebäude, es lägen keine Broschüren über die Gefahren von Alkohol auf und ähnliches.

„Es ist klar, dass das kein Zufall ist, dass es sich um eine geplante Kampagne handelt, um - nun, ich will noch nicht sagen, die Universität zu schließen, aber zumindest um ihr das Leben schwer zu machen.“

Wer hinter dieser Kampagne steht, weiß Wachtin nicht. Er kann nur spekulieren: „In einigen Zeitungsartikeln hat es dazu geheißen, die russische Staatsführung will überhaupt keine von ihr unabhängigen Institutionen mehr. Vielleicht ist das der Grund.“

Finanzquellen versiegen

Wenn das zutrifft, so erlebt die private Uni nun genau das, womit in den letzten Jahren in Russland auch Medien, NGOs, private Fonds, die Forschungsgelder vergeben, aber auch Theater und Opernhäuser kämpfen - die Staatsmacht will sichtlich alle unabhängigen Stimmen unter ihre Kontrolle bringen. Die unsichere Lage wirke sich jedenfalls bereits auf die Finanzen der Uni aus, sagt Wachtin, eine erste wichtige Finanzquelle sei der Universität mit dem Verbot, Spenden aus dem Ausland anzunehmen, aber schon vor zwei Jahren zugedreht worden.

„Das war ein schwerer Schlag für die Uni, weil wir waren beim Fundraising im Ausland sehr erfolgreich. Und jetzt ist auch unsere zweite Geldquelle in Gefahr: Spenden russischer Unternehmen, von denen - und das ist ja auch gerechtfertigt - warten jetzt viele ab, bis unsere Probleme gelöst sind.“

Daran, dass die Universität die Lehrlizenz vielleicht für immer verlieren könnte, will Wachtin gar nicht denken. Die Folgen für Russland, so der Rektor, wären jedenfalls traurig. Das Land würde eine seiner vor allem in den Sozialwissenschaften führenden Universitäten verlieren, die Begabtesten jungen Menschen würden dann wohl im Ausland studieren und das Land wohl gleich für immer verlassen.

Christian Lininger, ORF-Moskau

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