Ein Marsch und seine Folgen

Caroline Weinberg hat letztes Jahr die Großdemonstration „March for Science“ in Washington DC organisiert. Nun gelte es, mit Politikern direkt in Kontakt zu treten - und ihnen zu vermitteln: „Ihre Politik betrifft mich!“

Die Wissenschaft und Donald Trump - eine komplizierte Beziehung, die auch seit seiner Angelobung als US-Präsident vor einem Jahr nicht einfacher geworden ist. Der „March for Science“ habe sowohl die Wissenschaft selbst als auch die Einstellung der Öffentlichkeit verändert, zeigt sich Caroline Weinberg überzeugt. Wie und warum aus der Demonstration eine Bewegung mit einem Handbuch für politische Arbeit wurde, schildert sie im science.ORF.at-Interview.

science.ORF.at: Ein Jahr Trump und nahezu ein Jahr „March for Science“ - was hat sich verändert?

Caroline Weinberg: Für den Marsch oder für die USA?

Für beides…

Für die USA eine Menge. Es war ein interessantes Jahr, das die Anliegen des „March for Science“ noch einmal unterstrichen hat - mit unerbittlichen Attacken auf die Wissenschaft, auf wissenschaftsbasierte Politik. Das war erschreckend. Es gibt heute mehr Gründe als je zuvor, für Wissenschaft auf die Straße zu gehen.

Wird es einen nächsten Marsch geben

Ja, wir planen eine Fortsetzung für nächsten April. Zusätzlich wird es eine Reihe von Initiativen geben, damit sich Forscherinnen und Forscher in die politische Debatte einschalten.

Caroline Weinberg, Co-Organisatorin des "March for Science" in Washington

Elke Ziegler, science.ORF.at

Die Medizinerin Caroline Weinberg ist Co-Organisatorin des „March for Science“ in Washington. Sie ist derzeit für den „Wiener Ball der Wissenschaften“ in Österreich.

Zum Beispiel?

Das politische Klima in den USA hat dazu geführt, dass viele Menschen den Drang verspüren, sich zu engagieren - darunter auch viele Forscherinnen und Forscher, die vorher noch nie politisch aktiv waren. Für sie haben wir eine Art Handbuch zusammengestellt, in dem Fragen beantwortet werden wie: „Wie kontaktiere ich meinen Abgeordneten?“ „Wie bekomme ich einen Termin in ihrem Büro?“ „Wie kann ich Auskunft verlangen?“ Wir haben das für die USA gemacht, hoffen aber auf rege Beteiligung von Bewegungen in anderen Ländern, weil in jedem Staat das politische System anders funktioniert.

Ein Hauptziel des „March for Science“ war, das Bewusstsein für Bedeutung von Wissenschaft zu heben. Ist das gelungen?

Ja. Wir konnten eine große Zahl von „Science Advocats“, Anwälten für die Wissenschaft, mobilisieren - nicht nur für den Marsch, sondern auch danach. Wir haben dadurch eine Basis geschaffen von Leuten, die vernetzt sind und kontaktiert werden können, wenn wissenschaftsfeindliche Entscheidungen wie der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen oder Postenbesetzungen anstehen.

Aber ist es auch gelungen, die breite Öffentlichkeit anzusprechen?

Als wir den Marsch bekannt gegeben haben, hat es geheißen: „Da kommen nur Wissenschaftler, das wird eine Special-Interest-Veranstaltung.“ Wir haben dann genauer analysiert, wer teilgenommen hat - und es waren nur zu einem Viertel Forscherinnen und Forscher. Der Rest waren einfach wissenschaftsbegeisterte Menschen quer durch viele Berufe.

Ö1 Sendungshinweis:

Über die Lehren aus dem „March for Science“ berichtet auch „Wissen Aktuell“ um 13.55 Uhr am 26.1.2018.

Hat der Marsch bzw. die Bewegung die Wissenschaft verändert?

Er hat dazu beigetragen, dass wissenschaftsinterne Diskussionen öffentlich geworden sind - beispielsweise zu Diskriminierung und sexueller Belästigung. Darüber wurde schon vor dem Marsch diskutiert, der Schritt in die Öffentlichkeit hat die Debatte aber intensiviert. Und auch die Bedeutung von Social Media, um Wissenschaftsthemen zu transportieren und über Wissenschaft zu diskutieren, wurde vielen erst durch den Marsch und die Bewegung rund herum bewusst.

Dem „March for Science“ wurde immer wieder vorgeworfen, eine Anti-Trump-Bewegung zu sein…

Ja, in den USA wurde das plötzlich zu einer Bewegung Republikaner gegen Demokraten. Aber Wissenschaft in ihrem Kern ist nicht parteipolitisch. Sie ist politisch, aber nicht parteipolitisch. Ihr Zweck ist es, Befangenheit, „bias“, zu reduzieren. Wer Wissenschaft einer Seite zuschlägt, macht es sich leicht, ihre Ergebnisse zu ignorieren. Das zu transportieren und gegenüber politischen Vertretern, egal von welcher Seite sie kommen, zu vertreten, ist eine wichtige Aufgabe von Forschern und Forscherinnen.

Werden Sie damit jemals zum Präsidenten durchdringen?

Ich möchte gerne „ja“ sagen, aber die Antwort ist wahrscheinlich „nein“. Aber ich hoffe, dass wir Wissenschaft zu einem so starken Thema machen können, dass sie nicht mehr ignoriert werden kann. Meine Hoffnung liegt auf der lokalen und bundesstaatlichen Ebene. Man kann nicht einfach im Weißen Haus auftauchen und um einen Termin mit dem Präsidenten bitten. Aber man kann mit dem regionalen Abgeordneten sprechen und ihm sagen: „Ich lebe in Ihrem Bezirk, und Ihre Politik betrifft mich direkt“. Ich hoffe sehr, dass diese Aktivitäten Veränderungen möglich machen werden - indem sie letztlich bis an die Spitze durchsickern.

Interview: Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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