Invasion der Krebsklone

Der Marmorkrebs breitet sich rasant aus und gefährdet mittlerweile ganze Ökosysteme. Ein Blick in sein Erbgut fördert Erstaunliches zutage: In den Seen und Flüssen sind offenbar nur Klone unterwegs.

In nur zwei Jahrzehnten hat sich der Marmorkrebs vom reinen Aquarienbewohner zum global gefürchteten Vielfraß entwickelt. Vor allem in Madagaskar stellt er eine echte Bedrohung dar, mittlerweile wurde er auch in einigen europäischen Ländern sowie in Japan gesichtet. Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg haben nun mit Hilfe von Erbgut-Analysen herausgefunden, warum sich diese Art so schnell vermehrt.

Vermehrung durch Klone

Sie zeigen, dass es sich um eine Form des nordamerikanischen Everglades-Sumpfkrebses (Procambarus fallax) handelt - mit einem entscheidenden Unterschied: Während der Everglades-Sumpfkrebs beide Geschlechter zur Fortpflanzung benötigt, vermehrt sich der Marmorkrebs durch Jungfernzeugung. Dabei entstehen die Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen.

Wie die Forscher im Fachblatt „Nature Ecology & Evolution“ schreiben, stammen alle untersuchten Krebse von nur einem Weibchen ab und verfügen über ein identisches Genom. Anders ausgedrückt: Sie sind Klone.

Marmorkrebs Procambarus fallax

Frank Lyko, DKFZ

Geklonte Plagegeister: Marmorkrebs Procambarus fallax

Der Marmorkrebs ist der einzige bekannte Flusskrebs, der sich per Jungfernzeugung fortpflanzt - und das explosionsartig. Im Zwölf-Wochen-Rhythmus können die Tiere bis zu 500 Eier produzieren.

Der Flusskrebs mit dem namensgebenden braun marmorierten Panzer hat sich so besonders im afrikanischen Inselstaat Madagaskar zur Plage entwickelt, die den Reisanbau ebenso bedroht wie die dort heimische Flora und Fauna. Dafür gibt es laut der Studie zwei Gründe: Zum einen frisst der Krebs heimischen Tieren das Futter weg, zum anderen überträgt er die für viele Arten tödliche Krebspest.

Enorme Anpassungsfähigkeit

Der Lebensraum der Marmorkrebse auf Madagaskar hat sich den Forschern zufolge innerhalb von zehn Jahren von 1.000 auf 100.000 Quadratkilometer ausgedehnt. Dies gelang den Tieren aufgrund ihrer enormen Anpassungsfähigkeit.

In Deutschland sind die Krebse etwa in Badeseen mit sehr hohem wie auch mit sehr niedrigem Säuregrad zu finden, in Madagaskar sowohl auf der Hochebene als auch in tieferen Regionen. Normalerweise bedeute eine derartige Vielfalt an Lebensräumen, dass verschiedene, genetisch angepasste Unterarten entstehen, sagt Studienautor Frank Lyko vom DKFZ. Dies sei beim Marmorkrebs aber nicht der Fall.

Modell für Tumorentstehung

Der Grund: Die Krebse können sich mit Hilfe epigenetischer Mechanismen extrem schnell anpassen. Dabei lagern sich im Laufe des Lebens kleine Schalter an die Erbgutstränge, die Gene ein- oder ausschalten.

Insofern könne die Erforschung des Marmorkrebses auch wegweisend für das Verständnis von Tumoren sein, sagt Lyko. Denn auch die Zellen eines Tumors hätten ihren Ursprung in einer einzelnen Zelle, die sich durch Teilung rasant ausbreitet. Nun wollen die Forscher herausfinden, ob es auch molekulare Ähnlichkeiten zwischen den Krebstieren und Tumoren gibt.

science.ORF.at/dpa

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