1938/2018: 2.140 Sendeminuten und Originalmaterial

Am 12. März 2018 wird der sogenannte „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland 80 Jahre her sein. 2.140 Sendeminuten widmet der Radiosender Ö1 in den kommenden Tagen und Wochen dem Jahrestag.

„Das ist wesentlich mehr als früher“, sagt Ö1-Programmchef Peter Klein. „Ähnlich viel haben wir nur 1988 gemacht, aber damals hatten wir auch seit zwei Jahren einen Bundespräsident Kurt Waldheim und einen FPÖ-Vorsitzenden Jörg Haider.“

In den späten 80er-Jahren habe sich zeithistorisch und publizistisch viel getan, heute habe man es eher mit einem veränderten politischen Umfeld zu tun. „Wenn man sich die Entwicklungen der vergangenen Wochen anschaut, die Debatten um ein Liederbuch und Burschenschaften, dann muss man einfach sagen: Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk mit einem Bildungsauftrag haben wir einfach die Aufgabe und Pflicht, dazu Informationen zur Verfügung zu stellen. Es kann nicht falsch sein, sich alle paar Jahre mit dem Thema so gründlich und ausführlich auseinanderzusetzen, auch auf die Gefahr hin, dass manche ein Redundanzgefühl haben“, so Klein im Gespräch mit der APA.

24-Stunden-Multimediaprojekt

Die Fülle an Sendungen habe zwei Ursachen, erklärt der Ö1-Chef: „Zum einen arbeiten wir mit dem Haus der Geschichte Österreich zusammen, zum anderen hat Michael Liensberger, ein findiger Mitarbeiter unseres Archivs, der auch Historiker ist, im deutschen Rundfunkarchiv eine ganze Reihe Radioreportagen gefunden, die den 11. und 12. März 1938 wiedergeben. Wir haben es da mit Originaltonmaterial zu tun, das man in der Form noch nie gehört hat - spektakuläre Funde, die wir in großem Stil einsetzen werden.“

Ö1-Sendungshinweis

Auch das „Haus der Geschichte“ hat heute seine Pläne rund um das Gedenkdatum präsentiert. Darüber berichet das Mittagsjournal am 20.2. um 12:00.

Vorgestellt wurde dabei zum Beispiel eine Klanginstallation am Wiener Heldenplatz.

Das neu gefundene RAVAG-Material fließt teilweise in das 24-Stunden-Multimediaprojekt „Zeituhr 1938“ unter der künstlerischen Leitung von Frederick Baker und der wissenschaftlichen Leitung von Heidemarie Uhl ein, bei dem im öffentlichen Raum, aber auch im Internet (u.a. auf science.orf.at) ab 11. März, 18 Uhr, ein historischer Liveticker die Ereignisse vor 80 Jahren im realen Zeitablauf Revue passieren lässt. Ähnlich funktioniert die Spezialsendereihe „Betrifft: Österreich“: „Wir machen am 12. März 13 Fünf-Minuten-Sendungen, die immer fünf Minuten vor der vollen Stunde beginnen. Dabei geben wir wieder, was exakt vor 80 Jahren passiert ist“, so Klein.

„off records“-Geschehnisse

Dazu gibt es eine Vielzahl von Sendungen, die sich mit den Hintergründen der Ereignisse beschäftigen, aber auch mit jenen Geschehnissen, die „off records“ blieben - unzählige und oft gescheiterte Versuche, das Land sofort zu verlassen, Selbstmordwellen, Massenverhaftungen und Drangsalierungen. Aber auch, was abseits der Berichterstattung on air ging, ist wieder zu hören: Opernproduktionen oder populäre Musik der 1930er-Jahre, die teilweise sofort nach der Besetzung des Rundfunks verboten war.

Ein vierteiliges „Radiokolleg Spezial“ beschäftigt sich mit den „Stationen einer Machtübernahme“, die Burgtheater-Matinee am 11. März wird live übertragen. Für größere Nachhaltigkeit des Programm-Schwerpunkts sorgen ein spezielles, über einen längeren Zeitraum abrufbares Archiv auf oe1.orf.at und zwei CD-Editionen.

Welche persönlichen Lehren hat Peter Klein aus der intensiven Beschäftigung mit jener Zeit gezogen? „Ich bin froh, dass ich 1953 geboren bin. Ich maße mir nicht an, zu wissen, auf welcher Seite ich gestanden wäre. Vielleicht hätte mich die Tatsache geschützt, dass ich Gleichschritt nicht aushalten kann. Ö1 ist ja eine ziemlich tolle Erwachsenenbildungs- und Weiterbildungsanstalt, und ich versuche in meinem Job als Radiomacher seit jeher, Dinge zu verstehen. Aber es liegt mir unendlich fern, mir anzumaßen, irgendwelche Urteile darüber zu sprechen.“

science.ORF.at/APA

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