Golfstrom wird schwächer

Das Golfstromsystem im Atlantik wird immer langsamer. Die bisher genauesten Messungen zeigen, dass er sich seit den 1950er Jahren um 15 Prozent abgeschwächt hat - mit weitreichenden Folgen. Die Forscher sind sich einig: Die Ursache heißt Klimaerwärmung.

Die Wissenschaftler des deutschen Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben gemeinsam mit internationalen Kollegen Temperaturmessungen des Ozeans aus den vergangenen 150 Jahren mit Computermodellen kombiniert. „In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte sich zunächst sehr wenig, erst ab den 1950ern ging es bergab“, so PIK-Ozeanograf und Studienautor Stefan Rahmstorf gegenüber science.ORF.at.

Die Abschwächung um 15 Prozent sei erst der Anfang. Denn der Golfstrom, der auch für das milde Klima in Europa verantwortlich ist, wird durch die steigenden Temperaturen beeinflusst - vor allem im Norden zwischen Spitzbergen und Grönland, wo sich der Motor des Golfstroms befindet. „Die Strömung wird nämlich dadurch angetrieben, dass das Wasser in den hohen Breiten absinkt.“

Weniger Salzgehalt lähmt den Strom

Genauer gesagt sinken hier auf einer Fläche 50-mal so groß wie der Amazonas rund 17 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde in bis zu 4.000 Meter Tiefe, erklärt Rahmstorf. Dafür muss das Wasser allerdings schwer genug sein. Das heißt: nicht nur entsprechend kalt, sondern auch ausreichend salzig. Beide Faktoren erhöhen die Dichte des Wassers und lassen es folglich schwerer werden. Nun bringen aber als Folge des Klimawandels Regenfälle und Schmelzwasser zunehmend mehr Süßwasser in den Nordatlantik, wodurch hier das Wasser verdünnt und leichter wird, so Rahmstorf. Je mehr der Klimawandel die Erwärmung im Norden vorantreibt, desto stärker wird diese Antriebskraft der atlantischen Umwälzbewegung erlahmen, so Rahmstorf.

Veränderung der Temperaturen des Golfstroms

Caesar/PIK

Beobachtete Temperaturänderung des Golfstroms seit 1870 in Grad Celsius

Den Aufzeichnungen nach wird das Wasser im Nordatlantik folglich immer kühler - die einzige Meeresregion, auf die das weltweit zutrifft. An der Ostküste der USA staut sich wiederum das warme Wasser auf seinem Weg in den Norden und erwärmt die Gewässer an der nördlichen US-Atlantikküste. „Diese Region hat sich in den letzten Jahrzehnten schneller erwärmt als fast alle anderen Teile der Weltmeere“, sagt Koautor Vincent Saba vom National Oceanic and Atmospheric Administration Laboratory in Princeton. Diese beiden Phänomene seien ein eindeutiger, wenngleich indirekter Beleg dafür, dass der Golfstrom schwächer geworden ist.

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Die Strömungsgeschwindigkeit direkt zu messen ist zwar technisch ebenfalls möglich und wird seit dem Jahr 2004 auch gemacht. Der Zeitraum von 14 Jahren sei allerdings zu kurz, um die langfristige Entwicklung des Stroms zu messen, sagt Rahmstorf. „Man sieht zwar auch in diesen Daten, dass der Strom schwächer geworden ist. Allerdings könnte das auch an einer natürlichen Schwankung liegen. Denn es kann unabhängig von der gesamten Entwicklung immer wieder einmal ein Jahrzehnt hinauf- und ein Jahrzehnt hinuntergehen.“

Folgen noch unklar

Welche Folgen diese Strömungsbremse für das Klima sowie für die Ökosysteme im Meer bisher hatte, ist noch kaum erforscht. Einer Studie zufolge wurde die Hitzewelle in Europa im Sommer 2015 jedenfalls durch eine Rekordkälte im Atlantik verursacht. „Wenn der Atlantik besonders kalt ist, begünstigt er eine Luftdrucksituation, die warme Luft von Süden nach Europa hereinströmen lässt.“

Andere Arbeiten gehen wiederum davon aus, dass bei einem weiter abkühlenden Nordatlantik mehr Stürme vom Atlantik nach Europa gezogen werden. „Das beobachten wir derzeit noch nicht. Es ist aber ein Szenario, das bei einer weiteren Abschwächung der Strömung zu erwarten ist“, so Rahmstorf. In diesem Fall wäre es laut dem Klimaforscher auch denkbar, dass der Meeresspiegel an der US-Küste steigt.

Dass der Strom an einem gewissen kritischen Punkt zur Gänze abreißen könnte, wird in der Forschungscommunity ebenfalls intensiv erforscht. „Diese Grenze hängt allerdings von sehr subtilen Aspekten der Dichteverteilung des Meerwassers ab, weshalb unsere Modelle das noch nicht zuverlässig vorhersagen können.“ Angesichts aktueller Veränderungen betonen die Forscher aber einmal mehr, dass es wichtig ist, die globale Klimaerwärmung bei zwei Grad Celsius anzuhalten, wie es im Klimaabkommen von Paris 2015 vereinbart wurde.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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