Frauen: Bildung allein reicht nicht

Bildung führt nicht automatisch zu Gleichstellung - zu diesem ernüchternden Fazit kommt eine Erhebung in 150 Ländern. Obwohl Frauen überall immer besser gebildet sind, haben sie noch immer die schlechteren Jobs.

Frauen sind weniger gebildet und verdienen daher auch weniger - diese einfache Formel gilt längst nicht mehr. In Sachen Bildung hat das weibliche Geschlecht in den vergangenen Jahrzehnten nämlich enorm aufgeholt. Und wie es aussieht, dürften sie die Männer sogar überholen.

Ö1-Sendungshinweis:

Wissen aktuell,15.4.2016,13.55 Uhr

Laut Statistik Austria erwarben in Österreich 2012/13 Frauen schon 58,3 Prozent der Maturaabschlüsse und 58,7 Prozent der Studienabschlüsse, nur bei den Doktoraten liegt das männliche Geschlecht mit 56,3 Prozent noch knapp vorne. Mehr als 67 Prozent der Frauen sind heute erwerbstätig. Aber noch immer verdienen sie deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen: Das mittlere Bruttojahreseinkommen von Frauen lag 2013 39,1 Prozent unter jenem der Männer.

Schlechtere und weniger Jobs

Dass dieser Trend kein österreichisches Phänomen ist, belegt nun eine internationale Studie zum Thema Bildung und Gleichstellung von Frauen. Dafür haben die Forscher um Stephanie Seguino von der University of Vermont Daten der letzten zwei Jahrzehnte (1990 bis 2010) aus 150 Ländern analysiert.

Wie sich bei der Analyse zeigte, hat das weibliche Geschlecht in diesem Zeitraum bildungsmäßig weltweit deutlich aufgeholt. Die Frauen verbringen heute in mehr als der Hälfte der Länder ähnlich viel Zeit in der Ausbildung wie Männer, in manchen sogar mehr. Dabei verbrauchten sie mancherorts 1990 nur 33 Prozent der männlichen Ausbildungszeit.

Dennoch liegt die Beschäftigungsquote der weiblichen Bevölkerung 30 Prozent unter jener der Männer. In manchen Regionen sind noch weniger Frauen erwerbstätig, z. B. in Teilen Asiens und Afrikas. Und trotz der allgemein steigenden Tendenz ist der Anteil der Frauen in manchen Berufssparten sogar rückläufig, etwa im industriellen Sektor, wo das Einkommen generell höher ist - hier gab es seit 1990 einen Rückgang von 20 Prozent.

Im Allgemeinen sind die Frauen laut Seguino von gutbezahlten Jobs häufig ausgeschlossen und leisten einen überproportionalen Anteil an unbezahlter Arbeit, im Haushalt wie bei der Versorgung und Pflege von Kindern und älteren Menschen. Bildung reicht offenbar nicht aus für einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt, so die Ökonomin: „Um das Problem zu lösen, brauchen wir politische Mittel, denn die ‚unsichtbare Hand‘ des Marktes scheint es nicht zu können.“

Zu wenig repräsentiert

Am extremsten sei der Gender Gap in der Politik, der Anteil der Repräsentantinnen sei seit 1990 zwar gestiegen. Damals waren es 14 Prozent gemessen in Regierungsmitgliedern, aber über 25 Prozent sind sie bis heute nicht gekommen.

Die aktuellen politischen Entwicklungen in Österreich veranschaulichen diese globalen Umstände. Der Frauenanteil in der jetzigen Regierung ist mit 25 Prozent so niedrig wie zuletzt 1997. Dabei sei gerade die geringe politische Präsenz ein Teil des Problems, erklärt Seguino: „Wir brauchen Frauen in der politischen Verantwortung, damit ihre Lebensbedingungen und Bedürfnisse vermehrt in Entscheidungen einfließen.“

Seguino nennt auch einige konkrete Maßnahmen, um die Situation zu verbessern: leistbare Kinderbetreuung, bezahlte Karenzzeiten, geänderte Anstellungsbedingungen, Zugang zum öffentlichen Verkehr und wenn es sein muss, sogar Frauenquoten. Denn diese zeitigen tatsächlich Wirkung. In Kanada seien heute 50 Prozent Frauen in der Regierung, dank Quote. In Norwegen veränderte sich die Geschlechterverteilung durch eine Quote sogar in Aufsichtsräten, ein in der Regel fast ausschließlich von Männern besetztes Gremium.

Eva Obermüller, science.ORF.at

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