Eine „Datenwolke“ für Europas Forschung

Egal ob in der Astronomie, der Medizin oder der Geschichtswissenschaft - noch nie wurden in der Forschung so viele Daten produziert wie heute. Die EU-Kommission möchte diese Daten möglichst vielen Forschern in einer European Open Science Cloud zugänglich machen - und damit gleichzeitig die Wirtschaft stärken.

„Wegen des explosionsartigen Datenwachstums brauchen wir ein System bzw. eine Infrastruktur, wo wir diese datengetriebene Art der Wissenschaft ermöglichen“, sagt Jean-Claude Burgelman, bei der EU-Kommission für das Projekt „European Open Science Cloud“ zuständig, anlässlich einer Konferenz zum Thema in Köln.

Bestehende Infrastruktur nutzen

Zum einen wäre die Cloud demnach ein Ort, wo Forscherinnen und Forscher ihre Daten aufbewahren und - vom Zweck her durchaus mit herkömmlichen Karteikästen vergleichbar - durch Schlagworte und einheitliche Formate wieder auffindbar machen. Zum anderen könnte sie auch ein Platz für den Datenaustausch sein, so Burgelman.

Um das aufzubauen, müsse man aber nicht bei Null beginnen. Denn in allen Mitgliedsstaaten gibt es bereits Speichersysteme für Forschungsdaten - manche ausgefeilter, andere eher rudimentär. „Die European Open Science Cloud sollte diese Speicherorte vernetzen“, so Burgelman.

Offene Fragen

Am Weg dorthin gibt es aber noch zwei große Fragen zu klären: die Finanzierung und die Spielregeln. Hinsichtlich des Geldes hat sich der Forschungskommissar der Europäischen Union, der Portugiese Carlos Moedas, erst kürzlich festgelegt, dass er zwei Milliarden Euro aus dem Forschungsprogramm der EU der Cloud widmen will - damit ist allerdings nicht nur die Wissenschaftscloud gemeint, sondern eine Cloudlösung auch für die Wirtschaft.

Ö1 Sendungshinweis:

Über die European Open Science Cloud berichtet auch „Wissen Aktuell“, 4.5.2016, 13.55 Uhr.

Trotzdem müssen sich aber die Mitgliedsstaaten beteiligen, und hier ist noch keine Einigung in Sicht. Jean-Claude Burgelman kann sich vorstellen, dass etwa ein minimaler Prozentsatz der öffentlichen Projektförderung für die Cloud reserviert werden könnte - das ist aber bisher nicht mehr als eine Idee.

Die Cloud als Standortfaktor

Und auch hinsichtlich der Spielregeln ist noch vieles unklar. Einig ist sich eine Expertengruppe, die von der EU-Kommission eingesetzt wurde, darin, dass jeder Akteur - egal, ob öffentlich oder privat - mit einem öffentlich finanzierten Forschungsprojekt Zugang zur Cloud erhalten soll. Auf detailliertere Fragen etwa zur - kommerziellen - Weiterverwendung von Clouddaten gibt es derzeit noch keine Antworten.

In der kürzlich veröffentlichten Stellungnahme von Forschungskommissar Moedas wird aber deutlich, dass an eine Integration von Wirtschaft und Industrie sehr wohl gedacht ist. Mehr Transparenz bei den Forschungsdaten könnte neue Geschäftsideen beflügeln, so die Hoffnung der EU-Kommission. Denn letztlich soll die Wissenschaftspolitik der EU die Staaten wettbewerbsfähiger machen - und hier ist die European Open Science Cloud nur einer von mehreren Standortfaktoren.

Elke Ziegler, science.ORF.at

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