Wie „Ökoreisen“ funktionieren kann

Viele Österreicher nutzen lange Wochenenden, um kurz zu verreisen. Und das immer öfter im Jahr – aus ökologischer Sicht nicht unbedenklich, warnt ein Wiener Landschaftsökologe. Wie „Ökoreisen“ funktionieren kann, erklärt er im Interview.

Ein romantischer Städtetrip nach Paris, ein paar Tage Toskana oder eine Radtour in Tirol: Immer mehr Österreicher suchen die kurze Erholung.

In den Jahren 2014 und 2015 wurden sogar mehr Kurzurlaube (über neun Millionen) als lange Reisen (8,7 Millionen) unternommen. Aus ökologischer Sicht ist dieser Trend bedenklich, erklärt der Wiener Landschaftsökologe Christian Baumgartner: „Lange und dafür seltener verreisen ist natürlich umweltschonender, als kürzer und öfter wegzufahren oder gar zu fliegen.“

„Flugzeugreisen größtes Problem“

Das Verreisen mit dem Flugzeug oder benzinbetriebenen Autos mache, so Baumgartner, rund Dreiviertel der gesamten CO2-Emissionen im Tourismus aus. „Der Flugverkehr ist im Tourismus aber das größte Problem. Dieser Sektor nimmt jedoch stetig zu. Dabei ist klar: Wenn Kurzreisen mit Flugreisen verbunden sind, ist das generell nicht umweltfreundlich.“

Zur Person

Christian Baumgartner ist Landschaftsökologe und Gründer von response & ability. 1995 hat er respect – Institut für Integrativen Tourismus und Entwicklung gegründet und war später zehn Jahre lang Generalsekretär der Naturfreunde Internationale.

Wer umweltverträglich kurz verreisen möchte, sollte also auf Zug, Bus oder Elektroauto umsteigen. Wer Fliegen für unverzichtbar hält, kann seinen CO2-Ausstoß aber gewissermaßen kompensieren – beispielsweise über die deutsche Organisation Atmosfair. Diese finanziert weltweit Projekte, mit deren Hilfe CO2 eingespart werden kann. „Beispielsweise werden Solarkocher und -öfen für Haushalte in Indien finanziert. Dadurch wird Feuerholz gespart und die CO2 Belastung verringert“, so Baumgartner. Durch andere Projekte unterstützt Atmosfair wiederum Bauvorhaben für Solar- und Windkraftanlagen in asiatischen und afrikanischen Ländern.

„Atmosfair ist die Schnittstelle, die berechnet, wie viel Kohlendioxid der jeweilige Flug verursacht und dadurch bemisst, wie viel man in bestimmte Projekte zum Ausgleich investieren soll.“ Zum Beispiel erzeugt eine Flugreise nach Paris 440 Kilogramm CO2, was einen Kompensationsbetrag von elf Euro ergibt. Zum Vergleich: Eine Zugreise nach Paris kommt auf etwa 40 Kilo.

Kleine Hotels und Umweltzertifikate

Neben der An- und Abreise spielt auch die Unterkunft eine Rolle. So verbraucht ein Gast auf der griechischen Insel Rhodos ca. 70 Liter Duschwasser pro Übernachtung. Durch die Bewässerung der Grünanlagen komme jeder Gast zusätzlich auf 75 Liter pro Nacht, so Baumgartner. Darüber hinaus essen wir bis zu 30 Prozent mehr im Urlaub, was zusätzlich Wasser und CO2 verbraucht.

Um am Urlaubsort einen möglichst kleinen ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen, empfiehlt der Landschaftsökologe, internationale Hotelketten zu vermeiden und in kleine Betriebe zu gehen. „So bleibt mehr Wertschöpfung in der Region.“

Auch gilt es, die Augen nach Hotels mit Umweltzertifikaten offen zu halten. Solche Auszeichnungen seien ein Hinweis darauf, „dass die Betriebe Strom sparen, Solaranlagen am Dach haben, Lebensmittel aus der Region verarbeiten und versuchen, Müll und Abwasser zu vermeiden. Oder sie bieten einen Shuttleservice vom nächsten Bahnhof an, um die Gäste dazu zu motivieren, öffentlich anzureisen. Andere haben wiederum einen Fahrrad- oder Elektroautoverleih.“

Über 100 Umweltzertifikate

Allerdings gibt es laut Baumgartner in Europa allein über 100 solche Zertifikate, was den Markt unübersichtlich macht. „Das liegt daran, dass in den 1990er Jahren viele gleichzeitig begonnen haben, in diese Richtung zu arbeiten. So haben sich in einigen Tourismusregionen eigene Umweltzertifikate entwickelt.“

In Österreich ist es einfach, hier gibt es ausschließlich das Österreichische Umweltzeichen für Tourismusbetriebe. Um in den anderen Ländern den Überblick zu behalten, findet man auf Destinet.eu alle Zertifikate aufgelistet und beschrieben.

Soziale und kulturelle Fairness

Abseits der ökologischen Aspekte würden aber auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Faktoren immer wichtiger, um einen rundum fairen Tourismus zu gewährleisten, so der Landschaftsökologe. „Es gibt beispielsweise Bestrebungen, die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Tourismus fair zu gestalten oder den Erhalt des kulturellen Erbes miteinzubeziehen. Das wird auch für Reisende immer mehr zum Thema.“

Dass für manche Touristen sowohl ökologische als auch soziale Verträglichkeit bei der Reiseentscheidung eine Rolle spielen, legen Umfragen nahe – zumindest in Deutschland. „Es gab vor zwei Jahren eine Untersuchung, wo etwa die Hälfte der deutschen Reisenden angab, dass ihnen Umwelt- sowie soziale Aspekte beim Reisen wichtig sind.“

Für Österreich ist das durchaus vergleichbar, allerdings „wissen wir auch, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem Willen, etwas zu tun und der tatsächlichen Umsetzung“, so Baumgartner.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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