Individuelle Förderung reicht nicht

An Problemschulen reicht es nicht, einzelne Schüler mit Sprachproblemen oder körperlicher bzw. psychischer Beeinträchtigung zu fördern. Soll der Unterricht dieselbe Qualität erreichen wie an Schulen mit weniger Problemfällen, müsse man dem ganzen Standort mehr Mittel geben, so ein Bildungsstatistiker.

Nach dem derzeitigen System gibt es in Österreich über den Finanzausgleich mehr Geld für einzelne Schüler mit Förderbedarf. Eine indexbasierte Ressourcensteuerung brächte hingegen zusätzliche Mittel für Problemschulen mit besonders vielen benachteiligten Kindern. Damit sollen die dort schwierigeren Unterrichtsbedingungen ausgeglichen werden.

„Die Schulen als Ganzes brauchen zusätzliche Mittel, um die gleiche Unterrichtsqualität erreichen zu können wie an einer weniger belasteten Schule“, Michael Bruneforth vom Bundesbildungsinstitut Bifie, der am Montag bei einer Enquete der Arbeiterkammer (AK) über soziale Gerechtigkeit im österreichischen Schulsystem referiert. Unabhängig davon müssten einzelne Kinder mit einer Benachteiligung weiterhin zusätzlich eine individuelle Förderung erhalten.

Soziale Schwellen

Derzeit sei das österreichische Schulsystem durch ein hohes Maß an Ungleichheit geprägt, so Bruneforth. Stärkstes Hemmnis für die Bildungskarriere ist es, wenn Kinder aus einer niedrigen sozialen Klasse kommen. Weitere Faktoren sind geringes Bildungsniveau der Eltern (maximal Pflichtschulabschluss) sowie - wenn auch mit weniger Auswirkungen - Migrationshintergrund der Eltern und eine andere Erstsprache als Deutsch.

Bruneforth warnt deshalb auch davor, gescheiterte Bildungskarrieren auf ein reines Sprachproblem zu reduzieren; nur mit Sprachmaßnahmen sei das Problem nämlich nicht zu kurieren. „Ursache ist die soziale Herkunft dieser Migrantenfamilien. Sozial schwache Einheimische haben auch große Schwierigkeiten.“

Sollen die schwierigen Bedingungen an Standorten mit vielen benachteiligten Schülern verbessert werden, müsse man bei der Verteilung zusätzlicher Mittel auf Schulautonomie setzen, verweist Bruneforth auf das vom Linzer Soziologen Johann Bacher entwickelte Modell für eine Sozialindexierte Mittelverteilung.

Die Verbesserungen seien dabei in Österreich keine Frage von kleineren Klassen oder mehr Lehrern - im internationalen Vergleich stehe man hier schon jetzt sehr gut da, trotzdem sei es um die Chancengerechtigkeit vergleichsweise schlecht bestellt. Was es am jeweiligen Standort in der Praxis brauche - ob Schulsozialarbeiter oder -psychologen, Förderunterricht oder eine Theatergruppe - solle je nach Bedürfnis an der Schule entschieden werden.

Neues Finanzierungssystem

Wunder darf man sich laut Bruneforth aber von einer Umstellung der Finanzierung nicht erwarten. Zwar stehe hinter der politischen Forderung nach einer sozialindexierten Finanzierung der Wunsch, dass alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft dieselben Chancen bekommen. In der Praxis wäre allerdings schon viel erreicht, „wenn wir schauen, dass die Kinder, die weniger haben, im Schulsystem nicht noch weiter benachteiligt werden“. Am Weg zu einem gerechteren Bildungssystem - und davon gebe es in der OECD einige Beispiele - wäre die Frage der Finanzierung jedenfalls „nur einer von vielen Pflastersteinen“.

Um wie viel bzw. ob ein solches System überhaupt teurer wäre als das derzeitige ist aus Bruneforths Sicht derzeit nicht abschätzbar: Man wisse schlicht nicht, wo die Ressourcen eingesetzt werden. Aus seiner Sicht müsste man die Finanzierung des Schulsystems grundlegend auf neue Beine stellen und beim Finanzausgleich bei der Zuweisung der Mittel an die Länder auch soziale Unterschiede (etwa zwischen Städten und ländlichem Bereich) berücksichtigen.

In Österreich ist im Zuge des Flüchtlingszustroms vorerst nur geplant, die zusätzlichen Mittel für Bildung aus dem sogenannten Integrationstopf nach einem Sozialindex an die Schulen zu verteilen. Kriterien für den Index, der auf dem Modell von Bacher beruht, sind der sozioökonomische Status der Familie sowie der Anteil an Schülern, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss, Migrationshintergrund oder eine andere Sprache als Deutsch haben. Mit dem zusätzlichen Budget sollen die Schulen „pädagogische Integrationsmaßnahmen“ und Schulsozialarbeiter und mobile interkulturelle Teams finanzieren können.

science.ORF.at/APA

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