Warum Leonardos Selbstporträt „Masern“ bekommt

Das Selbstporträt von Leonardo da Vinci, eines der wertvollsten Bilder der Welt, ist von rötlichen Flecken überzogen, die größer und mehr werden. Wiener Forscher haben nun herausgefunden, warum: Schuld sind Pilze, die auch alte Bücher und Mumien befallen. Sie abzutöten reicht aber nicht aus.

Forscher nennen die Krankheit „Foxing“. Ihre Ursachen waren bisher kaum verstanden. Vor allem war es unklar, ob es sich dabei um ein chemisches oder biologisches Phänomen handelt, erklärte Guadalupe Pinar vom Institut für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur Wien. Zwar zerstört „Foxing“ nicht das Papier oder die Kreidestriche, doch die altersbedingten Flecken verschandeln das Bild und könnten Leonardos Bildnis in Zukunft sogar unkenntlich machen.

Altbekannte Pilze

„Es war von mikroskopischen Untersuchungen klar, dass Pilze in den ‚Foxing‘-Flecken sind, aber man konnte sie nicht kultivieren“, sagte Pinar. So wurde beschlossen, die Pilze molekularbiologisch zu untersuchen und ihre DNA zu analysieren, wie es etwa in der Forensik geschieht. Dazu wurden unterschiedliche, kleine Membranen vorsichtig auf das Porträt gelegt, mit Wattetupfern festgedrückt, damit Partikel der „Foxing“-Flecken daran haften bleiben, und mit einer Pinzette wieder abgenommen.

Ein Ausschnitt aus dem Selbstporträt von Leonardo Da Vinci.

APA

Durch diese DNA-Tests, Elektronenmikroskopie und chemische Analysen fanden die Wiener Forscherinnen und Forscher heraus, dass auf Leonardos Bildnis altbekannte Pilze sind (etwa Eurotium halophilicum oder Phialosimplex), die auch schon in antiken Bibliotheken, auf Mumien in den Katakomben Palermos und einer vor einigen Jahren im Hallstätter Salzbergwerk gefundenen, 3.350 Jahre alten Holztreppe wachsen und Zellulose abbauen. Sie kommen mit sehr wenig Wasser und Nährstoffen aus und überleben daher lange in solch einer kargen Umwelt. Außerdem wachsen sie sehr langsam, überdauern aber lange Zeiträume.

Auch nach Absterben schädlich

„Damit sie einen Schaden anrichten, müssen die Pilze nicht einmal mehr leben“, erklärte Pinar. Zu ihren Lebzeiten produzieren sie organische Säuren, die etwa die Bildung von Oxalat-Kristallen fördern und damit jene hässlichen Flecken verursachen. Diese Säuren sind so stabil, dass sie das Bildnis noch lange nach dem Tod der Pilze bedrohen.

Die Studie:

Amid the possible causes of a very famous foxing: molecular and microscopic insight into Leonardo da Vinci’s self-portrait“ wurde im Journal „Environmental Microbiology Reports“ erschienen.

Wahrscheinlich gibt es auch eine zusätzliche, rein chemische Ursache für das „Foxing“. „Bei der Manufaktur des Papiers entstanden wohl auch Eisen- und Kupfereinschlüsse, die durch Oxidation ebenfalls solche Flecken verursachen können“, so die Forscherin. An solchen Stellen ist wahrscheinlich das Papier ein wenig geschädigt und die Pilze können sich dort leichter festsetzen und weitere Schäden anrichten.

Patient unter Beobachtung

Neben solchen Untersuchungen wurden am Istituto centrale per il restauro e la conservazione del patrimonio archivistico e librario (ICRCPAL) in Rom auch physikalische und chemische Analysen durchgeführt, und alle beteiligten Wissenschaftler trafen sich, um einen „Therapieplan“ für Leonardos Bildnis zu erstellen.

„Am Ende beschlossen die Restauratoren aber trotz des enormen wissenschaftlichen Aufwands und der Expertise der Experten, es wieder nach Turin mitzunehmen und bloß bei geringer Luftfeuchtigkeit und moderater Temperatur aufzubewahren“ berichtet Pinar. Der Patient bleibt aber weiter in Beobachtung: Sollte sich die Situation ernsthaft verschlechtern, könnte eine wissenschaftlich fundierte Behandlung des wertvollen Konterfeis erfolgen.

science.ORF.at/APA

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