Scheue Wildschweine ziehen mehr Junge groß

Scheue Wildschwein-Mütter ziehen mehr Frischlinge groß als risikofreudige und aggressive Bachen - zumindest wenn genug Nahrung zur Verfügung steht. Laut Wiener Forschern verschwindet der Vorteil, wenn die Nahrung knapp wird.

Dass Persönlichkeitsmerkmale von Tieren wie Aggressivität, Risikofreude, Neugierde oder Geselligkeit Auswirkungen auf Fortpflanzung und Überleben haben können, ist schon länger bekannt. Allerdings ist es nicht einfach, den Charakter-Einfluss von anderen Faktoren, etwa Umweltbedingungen, zu unterscheiden, zumal diese Bedingungen auch schwanken können.

Ein Beispiel dafür ist das Futterangebot für Wildschweine, die am liebsten Eicheln und Bucheckern fressen. Diese sind aber nicht immer im gleichen Ausmaß verfügbar. Eichen und Buchen produzieren in sogenannten Mastjahren sehr viele Früchte, in anderen Jahren nur wenige. Diese natürlichen Schwankungen im Futterangebot haben Sebastian Vetter und seine Kollegen vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien in einem Wildgehege mit einer unter naturnahen Bedingungen gehaltenen Wildschweinpopulation imitiert.

Mehr mütterliche Fürsorge

Die Persönlichkeit der Wildschweine haben die Wissenschaftler anhand unbekannter Gegenstände getestet, die ins Gehege gelegt wurden, etwa ein Fußball, ein Kübel oder ein Plastiktier. Mit Videoaufnahmen beobachteten die Forscher, wie die verschiedenen Individuen auf die neuen Objekte reagierten. Zudem wurde das Verhalten der Bachen untereinander beobachtet. So wurde ein Persönlichkeitsindex für jedes Tier errechnet, der später mit der Anzahl ihrer großgezogenen Jungen verglichen wurde.

Wildschweine mit Jungen

Sebastian Vetter/Vetmeduni Vienna

Es zeigte sich, dass bei ausreichendem Futterangebot die vorsichtigeren Mütter mehr Frischlinge großziehen konnten als die aggressiveren und risikofreudigeren Bachen. Als Grund dafür vermuten die Forscher die höhere mütterliche Fürsorge. „Wildschweine sind untereinander oft aggressiv und die Frischlinge sind daher besonders auf den mütterlichen Schutz angewiesen“, erklärte Vetter in einer Aussendung. Bei einem reduzierten Nahrungsangebot verschwindet dieser Effekt allerdings.

Beobachtet wurde zudem ein Zusammenhang zwischen der Persönlichkeit und dem Körpergewicht der Frischlinge. Hier vermuten die Wissenschaftler, dass aggressive Jungtiere gegenüber zurückhaltenden Geschwistern einen Vorteil im Kampf um die Zitzen haben und daher schon früh ein höheres Gewicht erreichen. Dieser Startvorteil kann weitreichende Folgen haben: In der Studie wurde ein starker Zusammenhang zwischen der Körpermasse im Jugendalter und dem reproduktiven Erfolg als erwachsenes Tier festgestellt.

science.ORF.at/APA

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