Europas Urbauern sind zugewandert

Wie sind Landwirtschaft und die Sesshaftigkeit nach Europa gekommen? Haben die Jäger und Sammler die Kulturtechnik übernommen, oder sind Bauern in großer Zahl nach Europa eingewandert? DNA-Analysen von jungsteinzeitlichen Knochen haben diese Fragen nun endgültig geklärt.

„Das ist der naturwissenschaftliche Beweis“, begeistert sich Barbara Horejs vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der Akademie der Wissenschaften. „Wir haben es in der Archäologie immer schon vermutet und diskutiert, wir kennen Indikatoren, die dafür sprechen, und auch mathematische Modelle, aber jetzt wissen wir: Bauern sind nach Europa eingewandert, und zwar aus der Ägäis, und haben die Jäger und Sammler verdrängt.“

Expertenstreit über Herkunft

Horejs spricht eine lange Forschungsdebatte über die mögliche Herkunft der sesshaften, landwirtschaftlichen Lebensweise in Europa an. Sie wird auch die neolithische Revolution genannt, der Übergang zur Jungsteinzeit, der gravierende kulturelle Veränderungen mit sich brachte.

Bis vor wenigen Jahren noch galt als weitverbreitete These, die Sesshaftigkeit könnte als Wissenstransfer entstanden sein, die eiszeitlichen Jäger und Sammler hätten die landwirtschaftliche Kulturtechnik von eingewanderten Bauern „abgeschaut“ und übernommen, sie wäre also an Ort und Stelle in Europa entstanden.

Das widerlegt nun eine interdisziplinäre Studie, aufbauend auf Arbeiten des Paläogenetikers Joachim Burger von der Universität Mainz. Das Forscherteam analysierte DNA von bis zu 8.500 Jahre alten Knochen, wie etwa vom Fundort Revenia in Nordgriechenland, zusammen mit anderen neolithischen Funden entlang der vermuteten Migrationsroute.

Dabei war die technische Herausforderung, genügend unbeschädigte aDNA (ancient oder alte DNA) aus der Knochensubstanz zu isolieren. Hunderte Proben wurden untersucht, um letztlich von fünf Individuen aus dem heutigen Griechenland und der Nordwesttürkei korrekte und zuverlässige Sequenzen erstellen zu können.

Ureuropäer aus Griechenland und Türkei

Die Wissenschaftler fanden eine kontinuierliche genetische Linie von den Urackerbauern in Anatolien und Griechenland zu jenen in Zentral- und Südeuropa. So konnten sie zwei geografisch unterschiedliche Migrationsrouten identifizieren, über die sich fast gleichzeitig die frühen Siedler ausgebreitet haben: über den Balkan nach Mitteleuropa und über das Mittelmeer entlang den Küsten bis nach Südspanien.

6.200 Jahre altes Grab in Griechenland

Christina Ziota and Ephorate of Antiquities of Kozani, Hellenic Ministry of Culture & Sports.

Die untersuchte DNA stammt unter anderem aus diesem 6.200 Jahre alten Grab in Kleitos, Greichenland

Schon frühere Studien zeigten: 80 Prozent der männlichen Y-Chromosomen heutiger Europäer gehen auf die prähistorischen Ackerbauern und Viehzüchter aus Südosteuropa zurück. Schon 2009 konnte Burger zeigen, dass sich von der ursprünglichen Bevölkerung Europas nach der Eiszeit – den Jägern und Sammlern - kaum genetische Spuren in heutigen Europäern finden.

Es gab also zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen kaum Vermischungen, wie sich in den Genanalysen zeigt: „Das verwundert auch wenig, denn die kulturellen Unterschiede sind zu groß, abgesehen von Sprache und Aussehen – was sicher auch eine große Rolle gespielt hat –, haben wir es mit zwei völlig konträren Lebensweisen zu tun. Also diese Kulturen sind nicht aufeinander zugegangen“, sagt Horejs.

Zudem seien die jungsteinzeitlichen Bauern, wie Wissenschaftler heute annehmen, nicht in Kleingruppen, sondern in regelrechten Migrationsströmen nach Europa gesiedelt. Die enorm verbesserte Vorrats- und Ernährungslage habe zu raschem Bevölkerungswachstum geführt, was die Bauern immer weiter nach Europa trieb. Diese Kolonisten waren die ersten sesshaften Ackerbauern und brachten Hausbau, Landwirtschaft und Haustiere mit in ihr neues Siedlungsgebiet. Die Jäger-und-Sammler-Gesellschaft wurde einfach verdrängt.

Heute lässt sich die alte DNA der ägäischen Genome mit allen modernen europäischen Populationen verbinden und zeigt besondere Ähnlichkeit mit Teilen moderner Bevölkerung am Mittelmeer.

Thomas Azade, science.ORF.at

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