Die Hintergründe der Uni-Attacke

Gestern Nachmittag haben Rechtsextreme eine Lehrveranstaltung der Universität Klagenfurt gestürmt. Die Attacke war gezielt: ein neuer Lehrgang für ehrenamtliche Betreuer von Flüchtlingen. Was die Teilnehmer in der Ausbildung lernen und erleben, hat die Ö1 Wissenschaftsredaktion recherchiert.

Am Campus der Universität Klagenfurt bereitet Veronika Oelkrug jeden Donnerstag ihr Tutorium vor – das ist eine begleitende Lehrveranstaltung in kleinem Rahmen, wo Studierende bereits Gehörtes bzw. Gelerntes vertiefen können.

Türschild des Universitätslehrgangs

Tanja Malle

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben Fluchterfahrung, kommen unter anderem aus dem Irak, aus Dagestan, aus Afghanistan, sowie aus Syrien und besuchen den Universitätslehrgang Inklusionsbegleiter*in - entwickelt am Institut für Psychologie. Einige würden demnächst selbst gerne neu Ankommende unterstützen. Die dafür nötigen sprachlichen und kulturellen Ressourcen haben sie aus ihrem ursprünglichen Heimatland mitgebracht.

Traumata und Supervision

Der Universitätslehrgang (ULG) besteht aus Vorlesungen, Seminaren und einem Praktikum, sagt Veronika Oelkrug, die den Lehrgang koordiniert: „Wir haben den Lehrgang auf drei Säulen aufgebaut. Das ist zum einen die interkulturelle Kompetenz. Das geht’s in erster Linie darum, im Seminar zu reflektieren, was sind meine eigenen Vorstellungen, vielleicht auch Vorurteile. Die zweite Säule ist Psychotraumatologie. Einfach, weil Trauma leider eine große Rolle in der Betreuung von Flüchtlingen spielt. Und die dritte Säule ist das Fremdenrecht.“

Ausschnitt aus dem Tutorium

Mehr als ein Dutzend Mal wurde das Asylrecht seit 2005 geändert. „Nicht nur für Ehrenamtliche ist es schwer, auf dem letzten Stand zu bleiben“, sagt Daniel Wutti vom Institut für Psychologie, der den Lehrgang gemeinsam mit Veronika Oelkrug managt und auch einzelne Lehrveranstaltungen hält: „Die wichtigste Erfahrung aus dem Pilotprojekt im vergangenen Jahr war, dass die Teilnehmenden Supervision brauchen, während sie ihr Praktikum leisten.“

Besucher des Lehrgangs

Tanja Malle

Veronika Oelkrug mit Studierenden

Im Tutorium steht an diesem Tag die Besprechung der letzten Lehreinheit am Programm. Thema sind die Darstellung von Geflüchteten in den Medien und Rassismus. Unter anderem geht es um die Arbeiten des im Jahr 2014 verstorbenen Soziologen Stuart Hall, der den Fortbestand von rassistischen Einstellungen bis in die Gegenwart beschrieben hat. Ein inhaltlich und sprachlich fordernder Kurs.

Hamid, Ahmad, Sumrud und Abdul Reza sind zwischen acht Monaten und zwei Jahren in Österreich. Sie beschreiben ihre bisherigen Erfahrungen mit der so genannten Mehrheitsgesellschaft und ihre Wünsche an ebendiese.

Die Studierenden im OT

Unterstützung zur Selbstständigkeit

Am „Universitätslehrgang Inklusionsbegleiter*in“ nehmen insgesamt 53 Personen teil, darunter acht Menschen mit Fluchterfahrung, ansonsten Studierende und Berufstätige.

So etwa ein Polizist und die Pädagogin Caroline Wohlgemuht: „Ich kann jetzt endlich konkrete Antworten auf Fragen, wie jene geben, wie es mit Traumatisierten umzugehen gilt. Es gibt viele, die nicht schlafen können, die dauern Flashbacks haben. Jetzt weiß ich, an welche Stellen ich sie weiter vermitteln kann.“ Im Universitätslehrgang habe sie darüber hinaus erfahren, wie man geflüchtete Menschen dabei unterstützen kann, wieder selbstständig zu werden.

Strukturelle Benachteiligung

Vorausgesetzt freilich, die strukturellen Möglichkeiten sind gegeben. Denn sieben asylberechtigte Personen, die sich um Aufnahme im Inklusionslehrgang beworben haben, konnten wegen einer gesetzlichen Hürde nicht teilnehmen. „Als Bezieher der Mindestsicherung sind sie in Kärnten von dieser Form der Aus- bzw. Fortbildung ausgeschlossen“, sagt Veronika Oelkrug.

Blick aus dem Hörsaal

Tanja Malle

Blick aus dem Hörsaal

Neben struktureller Benachteiligung erfahren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihres Tutoriums immer wieder Rassismus: „Es ist oft so, dass sich niemand im Bus neben sie setzen will. Die Bundespräsidentenwahl haben sie mit Angst beobachtet. Weil sie befürchtet haben, dass ein Großteil der Bevölkerung die Flüchtlingspolitik nicht mehr unterstützt und das Willkommende immer mehr verloren geht. Und was man im letzten halben Jahr ein Stück weit auch bemerkt hat, ist, dass die Vorkommnisse in Deutschland, wo es ja fast jeden Tag Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte gibt, mit ziemlich großer Angst beobachtet worden sind.“

Donnerstagnachmittag hat nunmehr ein Dutzend Rechtsextremer eine Lehrveranstaltung des ULG gestürmt, eine Folterszene nachgestellt, dem Rektor der Universität, Oliver Vitouch, einen Schlag in die Magengrube verpasst.

In den Statements des Rektors der Universität Klagenfurt und der ÖH Klagenfurt/Celovec heißt es, man wolle sich dadurch nicht einschüchtern lassen und werde den ULG Inklusionsbegleiter*in auch weiterhin unterstützen. Das passt zum Anliegen des Lehrgangs. Schließlich betont der Inklusionsbegriff - stärker als jener der Integration - dass auch die österreichische Bevölkerung und die Institutionen des Landes Pflichten haben, wenn es darum geht, dass die Aufnahme von neu Ankommenden in die Gesellschaft gelingt.

Tanja Malle, Ö1 Wissenschaft

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