Vom Piepsen bis zum tiefen Grunzen

Sprechen und Singen, Piepsen und Grunzen - all das machen Mensch und Tier mit Kehlkopf und Stimmlippen. Wie kann ein so einfach gebautes Organ einen so großen Stimmumfang erzeugen? US-Wissenschaftler wissen die Antwort.

Der Stimmumfang eines Menschen beträgt im Durchschnitt etwa zwei Oktaven - je nach physiologischer Anlage von Stimmlippen und Kehlkopf. Mit Training sind bis zu drei Oktaven möglich. Und das mit nur zwei kleinen Stimmlippen, die mit Atemluft zum Schwingen gebracht werden, wie die Saiten eines Instrumentes. Nicht umsonst wurden sie früher „Stimmbänder“ genannt, auch wenn das nicht ihrer anatomischen Form entspricht.

„Eine Violine braucht immerhin vier Saiten, ein Gitarre sechs um einen größeren Tonumfang abzudecken“, sagt Ingo Titze. Der Stimmforscher von der University of Utah ist gelernter Physiker und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Erforschung der Stimm- und Lautbildung bei Tier und Mensch.

Titze und seine Kollegen haben nun die Anatomie des Kehlkopfes von 16 Tierarten untersucht, von Mäusen bis zu Elefanten - auch inklusive des Menschen. Wenig überraschend haben größere Tiere auch einen größeren Kehlkopf, und entsprechend korreliert die Körpergröße mit der mittleren Tonfrequenz, die ein Tier produziert. So kommunizieren Elefanten mit ihrem Bass im Infraschallbereich (für den Menschen kaum hörbar), bei Mäusen klingt es bekanntlich ganz anders, nämlich eher „piepsig“.

Doch die Forscher interessierten die Grenzbereiche der Stimme, der mögliche Stimmumfang beziehungsweise die Frequenzbreite, und die ist je nach Tierart sehr unterschiedlich und völlig unabhängig von der Körpergröße: „Wie genau funktioniert das im Kehlkopf? Was erlaubt den unterschiedlichen Frequenzumfang mancher Arten, während die Durchschnittsfrequenz, also der ‚Grundton‘ immer mit der Körpergröße übereinstimmt?", fragt Titze.

Menschlicher Stimmaparat

Lisa A. Clark, Kanako Omichi, Tobias Riede

Das „Instrument“ in unserem Hals

Zwei Faktoren maßgeblich

Der Tonerzeuger Kehlkopf ist höchst effizient bei sehr geringem Platzbedarf. Der erzeugbare Frequenzumfang ist hauptsächlich von zwei Faktoren abhängig, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Studie: Zum einen, wie stark die Stimmlippen in ihrer Länge veränderbar sind, das ist vor allem vom Bau der Kehlkopfmuskulatur abhängig.

Und zum anderen haben die Forscher Ursachen im ausgeklügelten Gewebeaufbau der Stimmlippen gefunden: Bänder aus hochdichten Kollagenfasern, eingebettet in Gel, die ihre Dicke und Steifigkeit verändern können, und das unabhängig voneinander, sind letztendlich für den hohen Frequenzumfang verantwortlich, den die Stimmlippen leisten können.

Zudem identifizierten die Wissenschaftler Besonderheiten, wie Gewebeschichten, die eine übermäßige Faserspannung aushalten können, oder zwei bestimmte Knorpel im Kehlkopf, die durch gemeinsames Drehen und Gleiten die Stimmlippen justieren.

Miniaturisierte Soundmachine

„Müsste ein Instrumentenbauer etwas entwickeln, das die selben Fähigkeiten hat wie Stimmlippen, würde er wohl verzweifeln“, scherzt Titze. „Als erstes müsste er laminierte Saiten entwickeln, deren Schichten untereinander mit einer Flüssigkeit querverbunden sind.“

Und dann müsste man herausfinden, wie man das Ganze in geringem Umfang ziehen und strecken kann und die Spannung dabei verschieden auf die Schichten verteilt. „Die Natur hat das gelöst, wie für eine bestimmte Tonhöhe der dominante Layer anzusprechen ist.“

All das erhöht den grundsätzlich möglichen Frequenzbereich und die vokale Vielfältigkeit. Daher sei, so die Conclusio der Wissenschafter, die Ton- und Stimmerzeugung nicht nur das simple Schwingen von Stimmlippen, denn damit alleine ist der Stimmumfang eben physikalisch nicht zu erklären. Das Ganze sei vielmehr ein „multidimensionaler Morphospace“, so Titze.

Nur so ist mit derselben „Technik“ diese enorme Frequenzspanne quer durch die Tierarten möglich, die den Ton mit Luftstrom und Stimmlippen im Kehlkopf erzeugen. Das reicht vom Infraschall der Elefanten bis zum Ultraschall der Fledermäuse.

Erkenntnisse, die das Verständnis über das Stimmwunder Kehlkopf vertiefen, könnten künftig auch bei Operationen verletzter Stimmbänder von Nutzen sein. Und nicht zuletzt auch für die Stimmbildung von Sängern und Sprechern.

Thomas Azade, science.ORF.at

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