Der „Brexit“ wird teuer

Nun ist es fix: Die Briten haben mehrheitlich für einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Was bedeutet das für die britische Wissenschaft? Eine erste Bestandsaufnahme.

Großbritannien ist einer der wirklich großen Player in der Europäischen Forschung, laut dem Wissenschaftsmagazin „Nature“ haben britische Universitäten seit 2014 rund 1,4 Mrd. Euro aus EU-Töpfen erhalten, das sind rund 16 Prozent des britischen Uni-Budgets. Wie geht das jetzt weiter?

Europa als Wissenschaftsstandort ist ohne Großbritannien nicht denkbar. Noch zwei weitere Zahlen: Die Bilanz des letzten abgeschlossenen Forschungsrahmenprogramms (FP7) zeigt, dass Großbritannien nach Deutschland am meisten Geld von allen EU-Mitgliedsstaaten bekommen hat, in Zahlen: sieben Milliarden Euro – für Unis, Forschungsprojekte von Firmen, Bildungsprogramme.

Sendungshinweis

Über dieses Thema berichtet heute auch „Wissen aktuell“, 24.6.2016, 13.55 Uhr.

Das sieht man auch in der Europäischen Kommission so, wie in Gesprächen und Mails mit verschiedenen Institutionen sowie mit Forscherinnen und Forschern mehrfach bestätigt wurde. Allerdings: Offiziell will sich niemand dazu äußern. Gestern wurde noch gesagt: Wir spekulieren nicht über den Ausgang des Referendums, heute gibt es zur Europäischen Forschungspolitik bis jetzt keine einzige Stellungnahme - trotz mehrfacher Nachfragen der Ö1-Wissenschaftsredaktion.

Stillschweigen bei der Kommission also - und auch beim Europäischen Forschungsrat? Der ist ja in Europa die zentrale Anlaufstelle für Grundlagenforschung.

Den Europäischen Forschungsrat gibt es seit 2007, und mit Ausnahme von 2014 gingen in jedem einzelnen Jahr die meisten Förderungen nach Großbritannien. Das sind alles zusammengerechnet knapp 1,5 Milliarden Euro. Umso erstaunlicher, dass auch der ERC derzeit keine Stellungnahme abgibt, sondern man lediglich darauf verweist, dass der „Brexit“ ein Thema für die gesamte Forschungs- und Innovationspolitik der EU ist.

Kann man zumindest sagen, was das für bereits laufende Projekte heißt und für Forscherinnen und Forscher, die auf der Basis von EU-Förderungen mit Großbritannien zusammenarbeiten?

Bestehende Projektverträge laufen weiter. Aber: Förderungen sind immer an eine gewisse Laufzeit gebunden, und wie es nach einem Auslaufen weitergeht, das kann derzeit niemand beantworten. Für die Austrittsverhandlungen Großbritanniens hat die EU-Kommission einen Zeitraum von 2 Jahren veranschlagt, und die Forschungspolitik wird definitiv ein Thema dieser Verhandlungen sein.

Eines lässt sich jedenfalls mit großer Sicherheit sagen: Will Großbritannien weiter an europäischen Forschungsprogrammen teilnehmen, wird es Geld in die Hand nehmen müssen. Das zeigen auch die Erfahrungen mit Ländern wie der Schweiz oder Norwegen, die keine EU-Mitglieder sind. Fazit: In der Wissenschaft könnte der „Brexit“ teuer werden.

Elke Ziegler, Barbara Riedl-Daser, Ö1 Wissenschaft

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