Schuhe als kurzlebiger Sondermüll

24,3 Milliarden Paar Schuhe sind allein im Jahr 2014 weltweit, meist in Asien, hergestellt worden. Mit dieser Menge könnte man jeden Menschen mit durchschnittlich 3,3 Paaren ausstatten, vom Baby bis zum Greis. Aber Schuhe „gehen“ mit der Mode und landen schnell im Müll.

Dabei belasten sie die Umwelt nicht erst, wenn sie entsorgt werden müssen, sondern schon in der Produktion, etwa durch die Ledergerbung. Die großen Schuhfirmen müssten sich viel mehr als bisher um Umweltschutz sowie sichere und faire Arbeitsbedingungen in den Billiglohnländern bemühen, lautete der Tenor bei einer Veranstaltung am Montagabend zum Thema „Faires Leder? Produktionsbedingungen bei Schuhen“ in Wien, bei der u.a. Vertreter der Arbeiterkammer (AK) und Südwind, einem Verein für Entwicklungspolitik, teilnahmen.

Lisa Kernegger, Ökologin von der Umweltschutzorganisation Global 2000, erklärte aber auch in Richtung der Konsumenten, „warum es nicht egal ist, wie viele Schuhe produziert werden“. Es handle sich um ein hochkomplexes Produkt mit vielen Rohstoffkomponenten. Die „Umweltperformance“ falle je nach Modell individuell aus. Generell könne man aber sagen: „Je mehr Schuhe, desto mehr Chemikalien.“

Schlechte Umweltbilanz

21 Prozent der weltweit produzierten Schuhe sind Lederschuhe, sie generieren aber die Hälfte der Wertschöpfung. Im Jahr 2010 wurden laut der Ökologin weltweit 354,6 Millionen Rinderfelle und -häute sowie 537,2 Millionen Lammhäute verarbeitet. Haut oder Fell muss ungefähr 40 Verarbeitungsstufen durchlaufen. 85 Prozent des Leders werde mit Chromsalzen hergestellt, aus einer Tonne roher Tierhäute entstehen 200 Kilogramm Leder. „Darin enthalten sind drei Kilogramm Chrom.“

Außerdem würden 250 Kilo an nicht gegerbtem festem Abfall, 200 Kilo an gegerbtem Abfall mit drei Kilo Chrom und 50.000 Kilo verschmutztes Wasser mit fünf Kilo Chrom anfallen, sagte Kernegger. Das bedeute, dass nur 20 Prozent des ursprünglichen Rohmaterials zu Leder umgewandelt werden, und mehr als 60 Prozent des Chroms würden sich in festem und flüssigem Abfall befinden. Allein in der Region Hazaribagh in Bangladesch würden jährlich 7,7 Millionen Liter Schmutzwasser und 88 Millionen Tonnen Restmüll aus über 200 Gerbereibetrieben anfallen. Chrom gelange dort direkt in den Boden und ins Grundwasser.

Sechs Paar Schuhe pro Jahr

In Österreich werden laut Kernegger jährlich rund 10.000 Tonnen Schuhe mit Lederbestandteilen entsorgt. Schätzungen gehen von 1,2 Millionen Tonnen „post-consumer Schuhen“ EU-weit aus. Bei der Verbrennung oxidiere trivalentes zu hexavalentem Chrom. „Das ist eigentlich Sondermüll und hoch krebserregend“, sagte die Ökologin im APA-Interview. Bei der Verbrennung von Kunstlederschuhen und Gummistiefeln werde Dioxin freigesetzt, die Anlagen brauchen dafür spezielle Filtertechnik.

In Österreich kauft jede(r) durchschnittlich sechs Paar Schuhe pro Jahr, so Kernegger. Europaweit seien es 5,5 Paar Schuhe pro Kopf und Jahr, in den USA sogar sieben Paar.

Sieben heimische Firmen befragt

Bei Schuhen gebe es noch viel zu wenig Wissen über Produktionsbedingungen: Das ist der Gedanke hinter dem EU-weiten Projekt „Change your shoes (CYS)“. Die Clean Clothes Kampagne hat Hersteller in Bezug auf ihre „menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten“ befragt. In Österreich wurden sieben Unternehmen einbezogen, laut AK und Südwind Österreich die größten Produzenten bzw. Händler mit Hauptfirmensitz im Land.

Das Fazit: Drei - Leder und Schuh, Lorenz, Waldviertler - haben nicht geantwortet. Paul Green, Hartjes und Richter bescheinigten die Tester „erste zögerliche Schritte“, Legero „kommt in die Gänge“. Auf gutem Weg - europaweit seien dies die Marken El Naturalista, adidas und Eurosko - oder gar voraus sei derzeit noch keine der heimischen Firmen. „Von den sieben geprüften Firmen erzeugen nur vier - und das nur teilweise - in Österreich: Hartjes, Lorenz, Paul Green und Waldviertler“, sagte Nina Tröger von der AK Wien. „Auch sie - so wie die anderen - haben Werke vor allem in Osteuropa und zum Teil auch in Asien.“ In Osteuropa sei das Auskommen mit dem Einkommen wegen niedriger Mindestlöhne oft sogar schwieriger als in Asien.

science.ORF.at/APA

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