Stammzellen: Gutes Geschäft für private Kliniken

An Stammzellen werden große Hoffnungen geknüpft. Erbkrankheiten könnten geheilt, Lähmungen rückgängig, schwere Formen von Krebs behandelt werden. Mit Hoffnung lassen sich gute Geschäfte machen: In den USA boomt das Business mit Stammzellen - teils aus ganz profanen Gründen.

Die Idee zur Studie entstand durch den Blog von Paul Knoepfler, der an der University of California in Davis an Stammzellen forscht. Die Postings auf diesem Blog hätten sich immer mehr verschoben von Anfragen zu Stammzelltransplantationen im Ausland hin zu derartigen Behandlungen in den USA, so Knoepfler in einer Aussendung von „Cell Press“.

Knoepfler vermutete, dass sich etwas bei den Angeboten von Stammzelltransplantationen geändert haben muss. Also machte er sich gemeinsam mit dem Bioethiker Leigh Turner von der University of Minnesota in Minneapolis auf die Suche und wurde im Internet fündig: Sie stießen landesweit auf insgesamt 570 Kliniken betrieben von 351 Firmen, die Stammzellbehandlungen anbieten. Die Preisspanne ist groß: Eine Behandlung kann zwischen 5.000 und 25.000 US-Dollar (4.500 und 22.500 Euro) kosten.

Stammzellen aus Fettgewebe

Mehr als die Hälfte der Kliniken (61 Prozent) gab laut Studie von Knoepfler und Turner auf ihren Websites an, mit sogenannten adipösen mesenchymalen Stammzellen (ASCs) zu arbeiten. Diese Zellen werden zwar dem Fettgewebe entnommen, können sich aber in verschiedene Gewebetypen weiterentwickeln, einschließlich Herzmuskulatur, Knochen, Knorpel, Muskel, Nervengewebe und Haut.

Die Studie:

Selling Stem Cells in the USA: Assessing the Direct-to-Consumer Industry“, „Cell Stem Cell“, 30.6.2016

Zweites Hauptstandbein der untersuchten Kliniken: körpereigene Stammzellen aus dem Rückenmark. Und immerhin eines von vier Unternehmen hat Stammzellen aus Eihaut, Plazentagewebe oder Nabelschnurblut im Angebot - woher diese Materialien stammen, ist laut Studie nicht ersichtlich. Vier Prozent verwendeten laut eigenen Angaben Stammzellen aus Blut, drei Prozent gaben nur das Schlagwort „Stammzellen“ an, ohne irgendeine Spezifikation.

Stammzellenhochburg Beverly Hills

Eingesetzt werden die Stammzellen von mehr als 300 Unternehmen für orthopädische Eingriffe, also beispielsweise zum Knorpel- und Muskelwiederaufbau. Schon an zweiter Stelle stehen laut Eigenmarketing der Unternehmen Schmerzbehandlungen, gefolgt von Sportverletzungen und Nervenerkrankungen.

Auch kosmetische Behandlungen stehen ganz oben auf der Liste, und hier ergibt sich eine interessante Querverbindung zur geografischen Verteilung der Unternehmen: Die meisten Niederlassungen gibt es nämlich in Beverly Hills, Wohnort zahlreicher Schauspielerinnen und Schauspieler, Regisseure und anderer wohlhabender Einwohner von Los Angeles.

„Wo sind die Bremsen?“

„Da explodiert ein Markt vor unseren Augen“, bewertet Bioethiker Leigh Turner die Ergebnisse der Studie. Was ihm und Stammzellforscher Paul Knoepfler Sorgen bereitet, ist das Fehlen der Bremsen: „Wo sind die Regulierungsbehörden? Wie kann es sein, dass eine ganze Industrie in einem Land entsteht, in dem Stammzellbehandlungen und die dafür nötigen medizinischen Geräte von der Gesundheitsbehörde FDA kontrolliert werden sollten?“ fragen die beiden Forscher.

Niemand würde die Qualität der Behandlungen überprüfen, im Gegenteil: Die Analyse von Knoepfler und Turner lieferte Hinweise, dass auch bisher nicht für den Menschen zugelassene Behandlungen gemacht werden.

FDA wird aktiv

Tatsächlich starben in den letzten Jahren zwei Menschen in Florida, nachdem es durch eine Stammzellbehandlung zu schweren Komplikationen gekommen war. Andere sind durch falsche Behandlungen entstellt oder dauerhaft geschädigt, weshalb nun auch die kritisierte Food and Drug Administration (FDA) tätig wird. Im September 2016 gibt es ein öffentliches Hearing zum Thema, aufgrund des großen Interesses wurde es von ursprünglich einem auf zwei Tage ausgedehnt.

Kontrolle in Österreich

In Österreich ist die Transplantation von Stammzellen, also die Entnahme, Lagerung und Weitergabe an Dritte, streng geregelt. Grundsätzlich dürfen Zellen oder Geweben laut Gewebesicherheitsgesetz nur zu medizinischen Zwecken entnommen und eingesetzt werden. Die Entnahme wiederum darf nur in Einrichtungen erfolgen, die dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) gemeldet wurden. Lagerung, Verarbeitung und Verteilung darf wiederum nur über eine Gewebebank erfolgen, deren Betrieb vom BASG bewilligt werden muss.

Der Transplant-Jahresbericht 2014 zeigt: In Österreich werden blutbildende Stammzellen zum allergrößten Teil zur Behandlung von Leukämien und Lymphomen eingesetzt. Nicht erfasst sind darin allerdings jene, die zu einer Stammzellbehandlung ins Ausland fahren, und auch die Behandlungen mit - dem eigenen Körper entnommenen - Fettstammzellen finden sich darin nicht, obwohl sie auch in Österreich von zahlreichen niedergelassenen Ärzten angeboten werden. Daten dazu liegen bei der zuständigen Stelle, der Gesundheit Österreich, nicht auf. Auf Anfrage heißt es dort: „Wir erfassen nur Transplantationen mit blutbildenden Stammzellen.“

Elke Ziegler, science.ORF.at

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