Alle Bücher auf einer Briefmarke

Eine 500 Mal bessere Speicherdichte als aktuelle Datenspeicher: Das verspricht eine neue Technik niederländischer Forscher. Theoretisch hätten damit alle Bücher, die je geschrieben wurden, auf eine Briefmarke Platz – praktisch ausgereift ist die Technik aber noch nicht.

Denn sowohl Ablesen als auch das Beschreiben des Speichermediums dauert noch viel zu lange – und funktioniert derzeit nur bei Temperaturen von rund minus 200 Grad Celsius.

Von „IBM“ zu Rede Feynmans

Der Fortschritt in der Wissenschaft wird gerne in Bildern ausgedrückt. Ein Beispiel: Der Schriftzug „IBM“, den Forscher 1989 mit Hilfe eines Rastertunnelmikroskops und 35 Atomen Xenon auf eine Nickeloberfläche schrieben – zum Beweis, dass die Manipulation einzelner Atome möglich ist. Oder das Quantengehege der gleichen Forscher ein paar Jahre später.

Studie

”A kilobyte rewritable atomic memory”, Nature Nanotechnology, 18.7.2016

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Auf einen ähnlichen Ikonencharakter hofft nun auch eine Gruppe um Sander Otte von der Technischen Universität in Delft (Niederlande). Die Physiker ziehen dazu alle Register und würdigen einen der größten Vertreter und Visionäre ihres Fachs: Richard Feynman (1918-1988). Dessen Rede „There’s Plenty of Room at the Bottom“ (dt. etwa: “Viel Spielraum nach unten“) vom 29. Dezember 1959 ist legendär: Viele der darin vorgestellten Ideen wurden zur Grundlage nanotechnologischer Entwicklungen - darunter die Datenspeicherung auf atomarer Ebene.

Chloratome auf Kupferoberfläche

Feynman zu Ehren schrieben Otte und Kollegen einen Teil seines berühmten Vortrages von 1959 nun auf ein nur 100 Nanometer (Millionstel Millimeter) breites Feld. Sie nutzten die Eigenschaft von Chloratomen, sich auf einer flachen Kupferoberfläche selbstständig zu einem zweidimensionalen Gitter anzuordnen.

Indem sie weniger Chloratome bereitstellten als für die komplette Bedeckung notwendig wären, schufen sie Lücken im Gitter, sogenannte Vakanzen. Aus einer Lücke und einem Chloratom setzten sie ein Bit zusammen, die kleinste Speichereinheit: In der Draufsicht bedeutet „Vakanz oben, Atom unten“ eine Null; „Atom oben, Vakanz unten“ heißt Eins.

Das Atomgitter, das Teile von Feynmans Text codiert

TU Delft

Das Atomgitter, das Teile von Feynmans Text codiert

Ö1 Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 19.7., 13:55 Uhr.

Um Daten speichern zu können, müssen die Wissenschaftler die Atome bewegen. Das machen sie – wie die Kollegen des „IBM“-Schriftzugs – mit einem Rastertunnelmikroskop. Mit diesem Gerät wird normalerweise über eine sehr feine Messspitze - ein einzelnes Atom - und die elektrische Wechselwirkung mit Atomen des Materials die atomare Struktur von Oberflächen aufgeklärt. Fließt durch die Messspitze ein Strom von etwa einem Mikro-Ampere, lässt sich damit ein Chloratom hin zu einer Lücke bewegen.

Mittlerweile haben die Forscher den Prozess weitgehend automatisiert: Computergesteuert schiebt das Rastertunnelmikroskop die Atome so lange von Lücke zu Lücke, bis die Bit-Felder entstehen. Um das Chloratomgitter stabil zu halten, ist jedes Bit von Chloratomen begrenzt - die Bits liegen also nicht direkt nebeneinander. "Man kann es mit einem Schiebepuzzle vergleichen“, so Studienleiter Otte.

Noch nicht alltagstauglich

Alltagstauglich ist das Puzzle aber noch nicht: Derzeit dauert das Auslesen eines 64-Bit-Blocks noch etwa eine Minute, das Schreiben zwei Minuten. Zudem funktioniert das ganze Verfahren nur bei einer Temperatur von minus 196 Grad Celsius. „Die alltägliche Speicherung von Daten auf atomarer Ebene ist noch weit entfernt“, so Otte. „Aber durch diesen Erfolg sind wir ihr auf jeden Fall einen großen Schritt nähergekommen.“

Das sieht Steven Erwin vom Naval Research Laboratory in Washington (USA) ähnlich. In einem Kommentar in „Nature Nanotechnology" schreibt er, dass dieses “ funktionierende atomare Speichergerät hoher Dichte, - zumindest - unsere Vorstellungen in Richtung des nächsten solchen Meilensteins stimulieren wird.“

Und auch die langen Auslese- und Schreibzeiten der aktuellen Methode seien nicht so dramatisch, verglichen mit dem „IBM“-Schriftzug. Dessen Herstellung habe vor 27 Jahren 22 Stunden gebraucht.

science.ORF.at/APA/dpa

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