Urlebewesen liebten es heiß

Die Urform aller Lebewesen ernährte sich von Gasen und liebte es heiß. Genetischen Studien zufolge benötigten die Einzeller keinen Sauerstoff und gediehen vor rund 3,8 Milliarden Jahren bei etwa 100 Grad Celsius in Hydrothermalquellen in der Tiefsee.

Hunderte Millionen Jahren bevor sich höhere Lebensformen entwickelt haben, bevölkerten einfache Mikroorganismen unseren Planeten, sogenannte Prokaryoten, einfache Lebewesen ohne Zellkern. Erst vor etwa zwei Milliarden Jahren sind daraus Eukaryoten, zu denen auch wir Menschen zählen, hervorgegangen.

Die Urform der Prokaryoten, aus der Bakterien und Archaea hervorgegangen sind, bezeichnet man als Luca („Last Universal Common Ancestor“). Nach mehrjährigen genetischen Studien am Institut für Molekulare Evolution der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf haben Forscher um den Mikrobiologen William F. Martin nun herausgefunden, wie diese Urform wohl gelebt hat.

Schwarze Raucher in der Tiefsee

NOAA

Für den Stoffwechsel in der sauerstofflosen Welt nutzte der kernlose Einzeller demnach Kohlendioxid, Wasserstoff, und Stickstoff. Seinen Energiebedarf deckte Luca aus einfachen chemischen Reaktionen und ohne Hilfe von Sonnenlicht. Die Autoren fanden auch Hinweise darauf, dass Luca Metalle wie Eisen und Nickel sowie auch andere Elemente wie Schwefel und Selen für den Stoffwechsel brauchte.

Bestmögliche Rekonstruktion

Für den Biophysiker Dieter Braun von der Ludwig-Maximilians-Universität München ist es „die solideste Studie auf diesem Feld“. Zum ersten Mal hätten Biologen versucht, aus allen verfügbaren genetischen Informationen auf die allererste genetische Sequenz zurückzuschließen. „Es ist die bestmögliche Rekonstruktion des ältesten Lebewesens“, so Braun. „Es ist gut möglich, dass es zuvor ältere Lebewesen gab, über die wir aber nichts Genaues mehr aus den jetzigen Sequenzdaten herausfinden können.“

Die Entstehung des Lebens selbst könne aber mit dem Ansatz der Düsseldorfer nicht erklärt werden. „Da kommt vorher ein langer dunkler Abschnitt, wo man nicht weiß, wie die allerersten Sequenzen überhaupt entstanden sind, wie die Evolution entstanden ist“, erklärt Braun. „Aber das allererste, was aus dem Nebel des Nichtwissens herauskommt, hat die Düsseldorfer Forschergruppe analysiert.“

Ursprung in der Tiefsee

Für Studienleiter Martin geben die Untersuchungen auch Aufschluss darüber, welche modernen Einzeller dem gemeinsamen Vorfahren heute am ähnlichsten sind: die Gruppen sogenannter Methanogene (Methanbildner) und Acetogene (Essigsäurebildner). „Diese leben genau dort, wo Luca gelebt hat“, sagt Martin. Auch diese modernen Einzeller besiedelten Hydrothermalquellen, etwa im Gebiet „Lost City“ im Atlantik. „Sie leben genau dort, wo das Leben entstanden ist“, sagt Martin.

Die neuen Daten unterstützen nach Ansicht der Forscher die Theorie, dass das Leben an Tiefsee-Hydrothermalquellen entstanden ist. Die Erkenntnisse über das Leben von Luca können nach Ansicht Martins wertvoll für die Suche nach Leben außerhalb der Erde sein. Wichtig sei zum Beispiel das Wissen, dass die ersten bekannten Zellen gar kein Sonnenlicht gebraucht hätten. Sie hätten stattdessen in der Tiefsee wahrscheinlich geochemische Energiequellen angezapft.

Für ihre Suche nach den Ursprungsgenen, die auf Luca zurückgehen, bezogen die Wissenschaftler anders als bei bisherigen Forschungsansätzen nicht nur das Erbgut ein, das allen Zellen gemeinsam ist, sondern auch das, was sie unterscheidet. So sind aus rund sechs Millionen Protein-Gruppen schließlich 355 übrig geblieben, aus denen die neuen Erkenntnisse gewonnen wurden.

science.ORF.at/APA/dpa

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