Was Tempel über Erdbeben verraten

Risse in Gemäuern, verbogene Balken und geneigte Säulen werden meist als Alterserscheinungen gedeutet. An historischen Tempeln können solche Schäden aber auch andere Ursachen haben: Sie verraten einiges über Erdbeben, die Jahrhunderte zurückliegen.

Im Bezirk Chamba, im nordinischen Bundesstaat Himalcha Pradesh haben Forscher Spuren von zerstörerischen Erdbeben an Tempeln aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. gefunden. Die Tempel liegen in der seismischen Lücke von Kaschmir, im Nordwesten des gigantischen Himalaya Gebirgszuges. Hier sollen Erdbeben mit Magnituden von 7,5 und höher (Richterskala) auftreten können.

Archeoseismologie

„Normale Alterserscheinungen weisen Unregelmäßigkeiten auf“, so Mayank Joshi vom Wadia Institute of Himalayan Geology. Erdbeben hinterlassen hingegen gleichmäßige Spuren: „In den Tempeln von Chamba und Bharmour gibt es einige sehr charakteristische Zeichen dafür, dass die Gebäude unter einer internen Deformierung gelitten haben.“

Beschädigte Säule am Lakshi Narayan Tempel

Mayank Joshi

Die Säule wurde durch ein Erdbeben 1555 beschädigt

Neigungsgrade von Säulen, Ausrichtungen von Brüchen und Aufwölbungen des Steinbodens sowie Verschiebungen an Dächern konnten mit historischen Aufzeichnungen von Erdbeben der Region verglichen werden, um herauszufinden, welches Erdbeben für den jeweiligen Schaden verantwortlich sein könnte.

Berichte über das Ausmaß von Erdbeben in der Region enthielten wenig verlässliche Angaben über Magnituden, Epizentren, und zerstörte Gebiete. Das „Ablesen“ der Spuren auf Monumenten und Strukturen der Tempel erlauben nun Rückschlüsse. Diese Vorgehensweise nennt sich „Archeoseismologie“.

Kein Erdbeben seit 461 Jahren: die Spannung steigt

Die Mercalliskala beschreibt Beben auf Grund ihrer Zerstörungskraft. Die Schäden an den Tempeln zeigen die Intensität der Erschütterung: „Bei einem Wert von XI oder X hätten die Tempel von Chamba ganz einstürzen müssen“, beschreiben die Forscher. „Da sie nur kippten und heute schräg stehen, wurden sie wahrscheinlich nur mit einer Kraft von VIII oder IX getroffen.“

Schiede Wand am Kangra Tempel

Mayank Joshi

Erdbebenschaden in Kangra

Die Wissenschaftler konnten den Tempeln eindeutig zwei Erdbeben zuordnen: das Beben in Kangra im Jahr 1905 und in Kaschmir im Jahr 1555. Die Tempel in Chamba tragen Zeichen von einer unelastischen Nord-Süd Schwingung. Die Tempel in Bharmour zeigen scherenförmige Verformungen in Ost-West Richtung. Obwohl die beiden Orte nahe beieinander liegen, wurden sie von unterschiedlichen Erdbeben getroffen.

Beide jedoch blieben von dem Erdbeben in Kaschmir im Jahr 2005 verschont, welches über 85.000 Tote forderte und erhebliche Schäden an der Infrastruktur (vor allem in Pakistan) anrichtete. Daraus schließt Joshi, „dass es in Chamba seit dem Erdbeben (1555) vor 461 Jahren keine weiteren gegeben hat.“ Einerseits ein gutes Zeichen, doch es gibt auch Grund zur Beunruhigung: „Die Spannung die sich hier aufgebaut hat, könnte in weiterer Folge zu einem Beben führen,“ so Joshi.

Alexa Lutteri, science.ORF.at

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