Integration: Von der IT-Branche lernen

Noch immer erreichen tausende Menschen täglich die EU - eine große Herausforderung für die Integrationspolitik. Wie Flüchtlinge und Einwanderer schneller Fuß fassen können, zeigen nun Technologieunternehmen.

Asylverfahren beantragen und warten auf den positiven Bescheid - dazwischen liegen teilweise viele Monate oder mehr als ein Jahr. Wird der Asylstatus anerkannt, ist das in den meisten Ländern Europas erst der Startschuss zur Integration. Die Sprache zu lernen, eine Arbeitsstelle oder einen Ausbildungsplatz zu finden, soziale Kontakte zu knüpfen - all das dauert mitunter nicht nur lange, die Betroffenen werden in diesem Zeitraum auch häufig in die Passivität gezwungen.

Das ginge auch anders, ist Carsten Johnson, Leiter der Cisco Networking Academy in Deutschland überzeugt: "Man muss einen Ausweg aus der strikten zeitlichen Folge von Integrationsschritten finden und diese auch parallel nebeneinander stellen. Ansonsten wird die Motivation des Einzelnen aber auch die Möglichkeit der schnellen Integration verschenkt“, kritisiert Johnson.

Zur Person

Carsten Johnson studierte Politikwissenschaften und promovierte 1996 im Rahmen der Max Planck Gesellschaft. 2005 wechselte er zum Technologieunternehmen Cisco, wo er die Networking Academy leitet.

Jobangebot mit Deutschkurs

Wie es funktionieren kann, macht die IT-Branche vor. In Berlin bieten Startups für Handy-Apps und Co. im Rahmen ihrer Jobausschreibungen Deutschkurse an, erzählt der Berliner Johnson gegenüber science.ORF.at. „Das gilt für einen technisch versierten Flüchtling aus Syrien gleichermaßen wie für einen Einwanderer aus Rumänien.“

Die IT-Branche denke und handle global, so Jonson. Aus diesem Grund achten junge Startup-Unternehmen darauf, ihre Belegschaft dementsprechend aufzubauen. Denn Apps, neu designte soziale Medien usw. sollen schließlich in Indien, Österreich oder den USA gleich gut ankommen, unabhängig von den unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen. Wenn Entwickler und Mitarbeiter im Vertrieb aus verschiedenen Ländern kommen, kann das von Vorteil sein. Auch große Firmen wie Google, Facebook oder Microsoft wollen ihre Belegschaft diverser machen, hier arbeiten in den Technikabteilungen aber noch vermehrt weiße Männer.

Lernplattform in verschiedenen Sprachen

Ein weiterer Punkt, der es grundsätzlich erleichtert, sich weltweit in der IT-Branche zu bewegen, sind die gleichen englischen Fachtermini. So spricht man auch hierzulande vom Router und nicht vom Verteiler. Man muss also nicht unbedingt sofort die deutsche Sprache beherrschen, um sich in der heimischen IT-Welt zurecht zu finden.

Vor diesem Hintergrund bieten Johnson und sein Team eine Online-Lernplattform kostenlos für Flüchtlinge und Migranten in unterschiedlichen Sprachen an - auch in Arabisch oder Chinesisch. Damit wendet sich Cisco vor allem an junge Menschen, die nicht mehr schulpflichtig sind und somit nicht automatisch, sprich vor Erhalt des Asylstatus eingeschult werden. „Wir gehen davon aus, dass dadurch berufliche Integration verkürzt werden können“, so Johnson. Sofern man Internet und einen Zugang zu Tablet, Laptop oder Computer hat.

Kooperation mit Hilfsorganisationen

Normalerweise kooperiert der Technologiekonzern Cisco mit Schulen, die einen technischen Schwerpunkt haben wie hierzulande HTLs. Seit April arbeitet die Networking Academy des Unternehmens mit Hilfsorganisationen wie MigrantHire, Asyl Plus oder ReDI-School in Deutschland zusammen und bietet auch Kurse für geflüchtete oder ausgewanderte Menschen an, auch hier lernt jeder in seiner Sprache.

Technologiegespräche Alpbach

Von 25. bis 27. August finden im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach die Technologiegespräche statt, organisiert vom Austrian Institute of Technology (AIT) und der Ö1-Wissenschaftsredaktion. Das Thema heuer lautet „Neue Aufklärung“. Davor erscheinen in science.ORF.at Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die bei den Technologiegesprächen vortragen oder moderieren.

„Der Lerninhalt ist derselbe, den wir auch in Schulen anbieten“, so Johnson - dieser reicht von Basiskompetenzen in der Informationstechnik bis hin zu anspruchsvollen Netzwerkkompetenzen, um einen WLAN Router beispielsweise so zu konfigurieren, damit Videos und Daten IP-geschützt übertragen werden können. Auch in Österreich sollen künftig ähnliche Kooperationen gestartet werden, so Johnson.

Individuelles lernen

Darüber hinaus könnte er sich vorstellen, dass dieses Konzept des individuellen Lernens auch im Schulunterricht angewendet werden könnte: „In multilingualen Klassen wäre die Hauptsprache zwar Deutsch, die Schüler würden ihre IT-Kompetenz aber zuerst via digitale Lernplattformen in ihrer jeweiligen Muttersprache lernen.“ So sollen Schüler schneller auf das gleiche Lernniveau gebracht werden. „Es muss möglich sein, dass der Unterricht diese Vielfältigkeit aushält - pädagogisch ist das natürlich keine leichte Aufgabe.“

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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