Dürre in den Anden, Fluten im Himalaya

Überschwemmungen und Erdrutsche haben letzte Woche in Nepal und Indien für zahlreiche Opfer gesorgt. Eine neue Studie prognostiziert, dass der Klimawandel dort verstärkt für solche Ereignisse sorgen könnte. In Chile hingegen könnte extreme Dürre zum Problem werden.

Bilder monsunartiger Niederschläge, wie sie uns letzte Woche aus Nepal erreichten, sind in dieser Jahreszeit „nichts Besonderes“, erklärt Silvan Ragettli, Wissenschaftler an der ETH Zürich gegenüber science.ORF.at. Gemeinsam mit einem großen Team unternimmt er schon über zehn Jahre lang Forschungsreisen in diese und andere Hochgebirgsregionen. Hier werden besonders starke Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt erwartet. Diese können aber global sehr unterschiedlich ausfallen.

Die Forscher haben ein neues, umfassendes Modell entwickelt, das detaillierte Vorhersagen über Hochwässer und Gletscherschmelzen erlaubt. Dazu wurden Szenarien aus bereits bestehenden Klimamodellen mit zusätzlichen Messungen vor Ort erweitert. „Ein hydrologisches Modell benötigt eine Vielzahl an Daten. Die Schwierigkeit besteht darin, die Prozesse zu erkennen und sie in ein Modell zu integrieren, um Wechselwirkungen sichtbar zu machen“, so Ragettli.

Vorhersage von Überschwemmungen

Im Langtang Tal in Nepal soll es laut einem Modell des Forscherteams zu massiven Überflutungen aufgrund von schmelzenden Gletschern und sich verändernden Niederschlägen kommen. Für das Modell wurden verschiedene Szenarien berechnet: von Temperaturanstiegen um 1 bis 3 Grad Celsius bis hin zu einem extremen Szenario mit Erwärmungen von 3,4 bis 7,2 Grad Celsius.

„7,2 Grad würde ich als Ausreißer betrachten, aber eine Erwärmung von 4 bis 6 Grad ist laut diesem Modell schon realistisch, wenn keine politischen Maßnahmen ergriffen werden“, so Ragettli. In diesem Fall erwarten die Forscher bis 2050 verstärkte Abflüsse und der Höhepunkt der Gletscherschmelze soll 2050 bis 2060 erreicht werden. Danach sollen Schmelzwassermengen bis 2100 kontinuierlich abnehmen.

Abflüsse werden auch durch eine Verschiebung der Schneefallgrenze in größere Höhen verstärkt. Dadurch regnet es in Gebieten, in denen es normalerweise schneit. Da Regen direkt abfließt und nicht wie Schnee allmählich, kommt es voraussichtlich zu einem schnelleren und stärkeren Anschwellen von Flüssen.

„Auch wenn man dieses Niederschlagsabflussmodell zur Vorhersage von Überflutungen nutzen könnte, gibt es in Nepal – wie in anderen Entwicklungsländern - ganz praktisch gesehen noch andere Hindernisse“, so Ragettli, „Für eine Vorhersage sind genaue meteorologische Daten, ein Modell und vor allem ein Warnsystem wichtig. Es gibt aber kein operatives System, wie in der Schweiz oder in Österreich, das laufend Warnungen aussendet.“

Gletscher schmelzen im Westen anders

Ganz andere Effekte zeigen Berechnungen in der Juncal Region in den mittleren Anden, in Chile. Hier sei der Höhepunkt der Gletscherschmelze schon 2010 erreicht worden, da die Gebirgsregion in geringerer Höhe liegt als im verglichenen Langtang Tal. Im Moment stagnieren die Schmelzwassermengen, voraussichtlich sollen sie bis 2030 stetig abnehmen und bis 2100 auf ein Drittel der derzeitigen Wasserniveaus sinken. Dies bedeute extreme Dürre in den ohnehin schon trockenen Sommern (Dezember bis März). „Klimaszenarien sagen hier voraus, dass der Niederschlag abnehmen wird und sich die Saisonalität verändert“, so der Forscher.

Die schwindenden Gletscher seien hier aber nicht alleine verantwortlich dafür, dass es weniger Schmelzwasser und somit mehr Dürren geben wird. Die Phänomene El Niño und La Niña spielen hier eine wichtige Rolle: „Dieses Jahr ist das stärkste El Niño – Jahr seit einem Jahrzehnt. Weil diese zyklischen Schwankungen über mehrere Jahre gehen, ist es nicht möglich einen kurzfristigen Trend festzustellen.“ Die langfristigen Vorhersagen der Forscher gehen jedenfalls von einer Reduktion der Gletschermassen um 70 Prozent im Vergleich zu heute aus. Wassermengen könnten bis 2100 auf ein Drittel der heutigen Reserven sinken.

Alexa Lutteri, science.ORF.at

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